auf der alm, da gibt’s koa sünd (teil 7): taz-Sommerreporter JOSEF WINKLER wartet auf die Kühe, die nach Hause kommen
Der Kuhfladen ist unser Freund
Ich ahne ja, dass ich mich da e-ven-tu-ell etwas zu wichtig nehme, aber es ist mir doch unangenehm, dass ich letzte Woche an dieser Stelle wohlfeile Witze über das Regenwetter riss. Seltsame Tage sind das. Die Katastrophe im Radio und die Wetterraserei, die sich auch hier oben entfaltete, rütteln am Behüterinstinkt, man kommt ganz fürsorglich drauf. Am Montag versagte ich Kühen und Kälbern zum ersten Mal überhaupt ihren Nachtausgang und behielt die Damen nach dem Abendmelken im Stall. Verhaltener Prostest eingangs, bald Konsens angesichts Regensturms draußen und mehrerer Lokalrunden Heu drinnen. So fühlt es sich also an, wenn man seine Schäfchen im Trockenen hat. Es war direkt heimelig. Und es waren direkt ca. zwei Kubikmeter Kuhmist zu schippen am nächsten Morgen.
Apropos Kuhmist: Es müsste sich übrigens statisti… Ha! Jetzt ist wieder diese Maus um die Ecke gelatscht. Man kann das gelatscht nennen, weil sie trotz meiner Anwesenheit in der Stube keinen Grund zur Eile zu sehen scheint. Die Maus ist dick und hat einen Stummelschwanz – ein Unfall? Gestern sah ich sie zum ersten Mal hinter dem Ofen verschwinden und Minuten später wieder durch die Lücke zwischen Dielen und Mauer flutschen, aus der sie gekommen war. Ich drückte einen Holzkeil in die Lücke – und nun marschiert das Viech wieder durchs Zimmer! Sie kommt zurück. Kriecht in eine Spalte neben dem Keil, bleibt dabei kurz stecken und muss ihren Hintern slapstickmäßig durch das Loch ruckeln. Ich schmeiß mich weg. Das sind die Bilder, die Grzimek uns nie hat zeigen können! Na, niedlich hin, niedlich her, noch ein Keil rein, wir sind ja hier nicht die Heilsarmee (nun gut, sind wir eigentlich doch; Maus and friends führen hier sowieso das Regiment, rocken nachts in der Vertäfelung und knabbern in der Speisekammer sogar die Küchenrollen an).
Also, apropos Kuhmist: Es müsste sich statistisch nachweisen lassen, dass sich etwa 60 Prozent aller Gespräche unter SennerInnen – das hat schon fast obsessiven Charakter – um rindliche Ausscheidungsprozesse, ihre Ursachen und mannigfaltigen Folgen drehen. Heute beim Gemeinschaftsfrühstück zum Beispiel: Die Kollegin erläutert den eitrigen Gebärmutterausfluss ihrer Kuh Lorei. Interessierte Blicke. Frischkäsebrote. Unbehagen, Drängen auf Themawechsel. Ignoriert worden.
Oder eben jene anekdotenreichen Unterhaltungen beim Abendweine über Rinderstuhl-Konsistenz und groteske Kot-Unfälle – etwa: Kuh mit Frischgrasdünnpfiff und Husten; der Aufenthalt im Gefahrenbereich hinter dem Tier ist nicht zu empfehlen. Wie komisch und doch brutal real. Wenngleich sich im täglichen Umgang das Verhältnis zu der überraschend mäßig ekligen Masse sich ohnehin mehr entspannt, als man es einem Außenstehenden plausibel machen könnte. Kuhdung ist unser Freund! In manchen Gegenden bauen sie Häuser damit – was einleuchtet, wenn man einmal versucht hat, getrocknete Batzen des phänomenal kittenden Materials von Stallwänden zu kratzen. Früher wurde mit dem getrockneten Kack geheizt.
Und heutzutage, so liest man, haben findige Menschen irgendwelche hirnverdrehenden Ausdünstungen der frischen Fladen als Schnüffeldroge entdeckt. Hm.
Also, entspanntes Verhältnis, schön und gut – ich hoffe auf Wetterbesserung. So weit darf die Erweichung nicht einreißen.
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