: Die Welt ist eine Einkaufsstraße
Am Wochenende fand zwischen Tauentzien und Uhlandstraße mal wieder das größte Straßenfest Europas statt
Früher wurde es wahlweise „Europameile“, „Hauptstadtfest“ oder „Ku’damm-Festival“ genannt. Dieses Jahr sollte alles noch anziehender, schöner und besser werden. Deshalb lief das zum 14. Mal ausgerichtete Straßenfest laut einer sehr hübschen Online-Ankündigung als „Versuch, durch neues Veranstaltungsmanagement und themenbezogene Ausrichtung den Ruf einer Fress- und Saufmeile loszuwerden und niveauvollere Unterhaltung zu bieten“.
Jetzt heißt das Ganze schön modern „Global City“ und ist keinesfalls nur eine gewöhnliche Fress- und Saufmeile, sondern eine mindestens auf Weltniveau hochgezüchtete Angelegenheit, die über hyperinternationales Flair und ein irres Rahmenprogramm verfügt. Wer eben auf so was steht, der dürfte sich hier am Wochenende mehr als anderswo amüsiert haben wie Bolle. Im letzten Jahr waren es schlappe 2,5 Millionen Besucher, die diesmal wieder erwartet werden durften; eine Zahl, angesichts der die Love Parade eigentlich endgültig einpacken könnte. Und wie diese hatte auch das Global-City-Fest ein Motto: „In drei Tagen um die Welt“ bedeutet dem Infoheft zufolge „Globalisierung in ganz neuer“ beziehungsweise „in ihrer schönsten Form“, der höchstens ein Attac-Protestmarsch noch gefehlt hätte.
Für drei Tage galt es also, „den Zauber Afrikas, die Geheimnisse Asiens und die neuesten Trends der USA“ zu vereinen, was neben Bratwurstbuden vor allem Trommeln, Chop Suey und einen Burger-King-Truck meinte. Internationalität und Exotik waren aber auch an den etwa tausend Caipirinha-Ständen zu erkennen, neben obligatorischem Ethnoschmuck, Lederwaren- und Sockenständen ohne Ende, Bauch-weg-Gürteln und einer enormen Vielfalt an „Miststück“- oder „Bier formte diesen wunderschönen usw.“-T-Shirts. Weltoffenheit bedeutet an diesem Wochenende indes vor allem Einkaufstourismus nebst Ladenöffnungszeit-befreitem Shopping bis zum verkaufsoffenen Sonntag, was auch nicht allzu sehr um die Ecke gedacht ist – schließlich fungiert die AG City West als Veranstalter.
Dabei ist die Idee, eine Großverkaufsveranstaltung mit den Idealen von interkulturellem Respekt und Globalverständigung zu unterlegen, eine vergleichsweise hehre Sache, die sich zudem bestimmt für alle Teilnehmenden auszahlt – egal ob man Lettland, Swasiland oder das Sauerland bewirbt. Auch ist es unbestreitbar lobenswert, ein international mehr als reichhaltiges Ensemble von Musikern zu präsentieren, hippe Café-del-Mar-DJs aus Ibiza einzufliegen, ein politisches Podium einzurichten und und und, um den Ku’damm weltgeltungsbemüht auf Champs-Élysées- oder Fifth-Avenue-Standard zu hieven. Doch sehen wir den Tatsachen ins Auge: Das Ku’dammfest ist hauptsächlich ein Fest vom und für den Einzelhandel, der sich in der Ausrichtung nicht eben hat lumpen lassen. Der Rest bleibt, unter welchem Namen und Motto auch immer, eine Fress- und Saufmeile. AXEL WERNER
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