: Wo die Pilze aus dem Fußboden wachsen
Drei Wochen im Sommer: Aus dem Tagebuch einer Klimageschädigten nach dem Unwetter vom 1. August
Am 1. August setzte das Tief „Gudrun“ große Teile von Hamburg und Umgebung unter Wasser. Auch die Wohnung von taz-Mitarbeiterin Barbara Figge in Altona wurde unbenutzbar. Notizen aus ihrem Tagebuch:
1.8., 17.45 Uhr: Während mein Sohn und ich versuchen, dass Wasser an der Hintertür mit Teppichen und Badetüchern vom Eindringen ins Schlafzimmer (Teppichboden) abzuhalten, gluckert es plötzlich bedenklich im Abfluss. Innerhalb von Sekunden dringt aus Dusche, Waschbecken, Klo und den Abflüssen vor beiden Außentüren das Wasser in die Wohnung. Nachbarn nehmen uns auf. Die Feuerwehr ist nicht zu erreichen; erst nach Stunden werden wir auf die Warteliste aufgenommen, bis spät in der Nacht sind sie noch nicht bei uns angekommen. Da haben wir schon selbst mit dem Schöpfen begonnen, Nachbarn und FreundInnen helfen. Mein Sohn fährt zu seinem Vater und ich mit den Katzen zu Freundinnen.
2.8.: Der Vermieter kommt kurz zur Besichtigung; die Mülltonne im Hof füllt sich mit nassen Dingen; keine Versicherung zahlt, Trockengeräte sind in Hamburg zurzeit aus.
3.8.: Entgegen der Absprache ist der Vermieter nicht zu erreichen; ich räume weiter aus und entscheide, trotzdem für eine Woche nach Bayern zu fahren; es stinkt fürchterlich nach Moder.
5.8.: Vermieter telefonisch erreicht, meine Freundin als „Verwalterin“ benannt.
7.8.: Freundinnen reißen nach Absprache mit dem Vermieter den Teppichboden raus, darunter verbergen sich Spanplatten; alles ist feucht.
10.8.: Die Spanplatten beginnen zu wellen; die Katzen sind genervt, weil sie bei meinen Freundinnen nicht raus können.
13.8.: Die Rückkehr nach Hamburg durch bayerische Überschwemmungsgebiete, begleitet von Nachrichten aus Sachsen und Osteuropa – so recht tröstet das „so schlimm war es bei mir doch gar nicht“ nicht darüber hinweg, dass ich kein Zuhause mehr habe.
14.8.: Telefonat mit dem Vermieter; er hat keinen Ersatzwohnraum für uns; Termin für morgen zwecks erneuter Besichtigung und Planung vereinbart. Das Bezirksamt stellt keine Dringlichkeitsscheine aus, wenn die Wohnung wiederhergestellt werden könnte. Die Spanplatten schimmeln, an einigen Stellen wachsen bereits Pilze; die Wohnung lässt sich einfach nicht richtig lüften, die Möbel müssten dringend aus der Wohnung raus, aber wohin? Die Mickey-Mouse-Sammlung geht den Weg alles Organischen; immerhin funktionieren Strom und Kühlschrank noch.
15.8.: Wunderbare Neuigkeit: Zwei Stockwerke drüber steht eine 2-Zimmer-Wohnung leer, in der wir erst einmal unterkommen können, bis die alte Wohnung wieder renoviert ist oder (weitaus wahrscheinlicher) wir etwas anderes gefunden haben. Bis zum Umzug transportiere ich Bettwäsche und Kleider in einen benachbarten Schuppen. Die Mülltonnen füllen sich weiter mit feuchten Dingen.
18.8.: Ein weiterer Kontrollbesuch zeigt, dass das meiste getrocknet ist – einige der Sachen, die entsorgt werden müssen, entlocken mir allerdings doch ein paar Tränchen.
19.8.: Die Schlüssel für die neue Wohnung sind da. Es kann losgehen. Ich hasse Umzüge.
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