: Vulkankranke abgewickelt?
Kaputtmalochte haben’s schwer: Sie müssen die Ursache ihrer Krankheit selbst beweisen. Ex-Vulkanesen hilft seit der Werftenpleite vor fünf Jahren Rolf Spalek. Der zittert jetzt um die Arbeitsstelle
Langsam dreht der ehemalige Vulkanese Rolf Spalek im Rädchen. Nein, nicht weil gestern auf seinem Arbeitssplatz auf dem Gelände der ehemaligen Werft nach einem Wasserrohrbruch kein Tropfen aus der Leitung kam, sondern aus Sorge um seine – ohnehin befristete – Arbeitsstelle „Am Werfttor 1“.
Seit der Vulkan-Pleite vor fünf Jahren hat Spalek dort unzählige Ex-KollegInnen beraten, wenn diese gegenüber der Berufsgenossenschaft Ansprüche geltend machen wollten – etwa weil sie sich auf der Werft die Bandscheiben ruiniert oder den gefürchteten Asbestkrebs geholt hatten. Spalek, ehemaliger Sicherheitsbeauftragter und Betriebsrat, gehörte beim Werften-Crash vor fünf Jahren zu den Leuten, die die Gesundheitsakten der Belegschaft vorm Reißwolf retteten, damit Kaputtmalochte später noch Ansprüche geltend machen könnten. Über 2.000 Besuche hat er in zweieinhalb Jahren gezählt. Doch seine Stelle bei „Beratung im Berufskrankheitenverfahren für ehemalige Vulkanesen und andere“ ist nur bis September sicher. Auf die Anfrage vom Juni, wie es mit Spaleks Arbeit weiter gehen soll, hat das Arbeitsressort bis jetzt nicht reagiert. Muss Spalek in zwei Wochen vom Platz?
„Davon gehe ich nicht aus“, sagt der Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA), Jürgen Seippel. KDA, IG Metall und das Zentrum für Sozialpolitik an der Bremer Uni haben das Projekt vor Jahren gegründet – mit Geld vom Arbeitsamt und von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Letzten Sommer dann kam das Arbeitsressort als Geldgeber ins Gespräch. Seither ist Seippel zuversichtlich: „Der Staatsrat im Arbeitsressort, Arnold Knigge, wird sicher zu seinem Wort stehen“
Das Wort: Knigge soll zugesagt haben, dass für Spaleks Arbeit ab September ein Jahr lang rund 18.000 Euro an Landesmitteln fließen. Weitere 18.000 Euro wird das Arbeitsamt beisteuern – wie bereits in den vergangenen zwölf Monaten, die ansonsten ungewöhnlich finanziert wurden: In dieser Zeit kam die zweite Hälfte der rund 36.000 Euro an Lohnkosten für Spalek von Privatleuten. Der Vorgänger von Jürgen Seippel beim Kirchlichen Dienst der Arbeitswelt, Reinhard Jung, trug den Löwenanteil. Dazu kamen ein paar Spenden über die IG Metall. Die Arbeit Spaleks sei ihm so wichtig erschienen, dass er und seine Frau dafür in die eigene Schatulle griffen, sagt Jung – zumal Spalek schon ein halbes Jahr lang ehrenamtlich gearbeitet hatte, während alle noch ans Arbeitsamt glaubten: Das sollte Geld für die Beschäftigung von über 50-Jährigen haben. Doch als es so weit war, war der Topf leer. Leicht beunruhigt klingt Reinhard Jung jetzt also, wenn er hört, dass das Ressort seinen jüngsten Versprechen noch keine Taten folgen ließ. „Meine Frau und ich haben unsere Hilfe nur bis September zugesagt“, sagt der mittlerweile pensionierte Pastor.
Spalek hofft derweil. Selbstbewusst. Er weiß, was er leistet: „Kaum ein Fall, der zur Berufsgenossenschaft geht, wo ich nicht bei der Begründung mitgewirkt habe.“ Unzählige Male hat der heute 54-Jährige alte Kontakte aufgewärmt, um beispielsweise Asbestose-Kranken zu helfen. „Den Nachweis über die Schädigung müssen die Versicherten selbst erbringen“, spult Spalek ab. Solche Beweise über Gift in Arbeitsmitteln stecken oft in den detaillierten Unterlagen, die er beim Vulkan rettete oder nachträglich aus der eigenen Erinnerung und Gesprächen mit anderen aufspürt – für den heute blasenkrebskranken Kollegen einer Fremdfirma beispielsweise, der über Jahre mit giftiger Farbe strich. Oder für den Kollegen, den der tödliche Lungenkrebs Asbestose jetzt fertig macht, nach über 30 Jahren. Für ihn hat Spalek die Beweise gegen die Berufsgenossenschaft gesammelt: „Damit belege ich, dass 1959 sehr wohl schon Spritzasbest verwendet wurde.“ Monatelang musste er suchen. Seine Beharrlichkeit hat sich herumgesprochen: Aus Papenburg, Leer, Emden und Bremerhaven kommen Leute zu ihm. Viele davon alt. „Asbest hat eine Latenzzeit von rund 30 Jahren“, sagt Spalek. Ohne seine Hilfe könnten viele den Ursprung solcher Berufskrankheiten kaum beweisen. ede
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