piwik no script img

Job-Roulette im Parlament

Parlamentspräsident Christian Weber (SPD) will einen eigenen Pressesprecher – dabei hat die Bürgerschaft bereits eine Pressesprecherin. Mehr Arbeit, so der Grund für die sehr gut dotierte Stelle. Hinter den Kulissen erzählt man sich anderes

Demnächst wird in Bremen ein gut bezahlter Job ausgeschrieben. Christian Weber (SPD), Präsident der Bremischen Bürgerschaft, sucht einen Pressesprecher und persönlichen Referenten. Gehaltsstufe: BAT 1, das Höchste, was der Bundesangestelltentarif hergibt – um die 4.500 Euro brutto. Und das, obwohl die Bürgerschaft längst eine Pressesprecherin hat. Sie verdient weniger, nennt sich offiziell „Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ – und sie hat ein Kind, weshalb sie derzeit ihre Stelle reduziert hat.

Das und ein gestiegener Bedarf an Organisation sind für Christian Weber die Argumente für den Wunsch nach Verstärkung. Außerdem ist in der Pressestelle die Stelle einer Sachbearbeiterin vakant, was für Öffentlichkeitsreferentin Anja Eckhardt mehr Arbeit bei gleichbleibend wenig Zeit bedeutet.

In der Bürgerschaft aber fragt man sich nun, warum die vakante Stelle nicht einfach wieder besetzt wird und das dem Vernehmen nach geäußerte Angebot der Abteilungsleiterin, ihre derzeit reduzierte Stelle aufzustocken, nicht akzeptiert wird. Das Thema scheint pikant, niemand mag sich öffentlich äußern. „Ganz toll“ mache Anja Eckhardt ihre Arbeit, sagen Insider, „die Öffnung des Parlaments nach außen ist ihr zu verdanken.“ Dumm nur, dass ausgerechnet das längst erwünschte Mehr an Außenwirkung seiner Initiatorin zum Schicksal wird: Der oder die Neue würde das tun, was Anja Eckhardt bisher miterledigt hat – des Präsidenten Stimme in der Öffentlichkeit sein.

Ist Webers Aktion also ein Affront gegen seine bisherige Öffentlichkeitsarbeiterin? „Auf gar keinen Fall“, dementiert der Parlamentspräsident. „Ich bin ja angetreten, das Parlament nach außen zu öffnen“, sagt er, „wir haben sehr, sehr viele Aktivitäten ins Haus geholt.“ Er bescheinigt seiner Pressefrau darin „einen riesengroßen Erfolg.“

Außerdem, so Weber, sei er angetreten, klar zu machen, „dass wir die Entscheider sind.“ Will sagen: nicht das Rathaus, nicht der Senat, der das Parlament schon oft genug düpiert hat. Nur ist von ebenjener Rolle des Parlaments als des wirklichen Souveräns bisher wenig zu merken. „Genauso ist es“, sagt Weber, „auch das möchte ich mit dieser Stelle verändern.“ Warum er das nicht schon längst getan hat? „Gute Frage“, sagt er und verweist auf die zwei nebeneinander stehenden Ansprüche – mehr Öffnung des Hauses, mehr Demonstration der legislativen Macht –, von denen bisher eben nur einer verwirklicht sei. Dank Eckhardts „Art loszupowern“ sei man „ruck, zuck mit Aktionen zugedeckt“ gewesen. So sehr, dass nun „die Kapazitäten überstrapaziert“ seien. Und so sehr, dass für die Chefin der Öffentlichkeitsarbeit auch mit aufgestockter Stundenzahl und ohne Sprechertätigkeit noch genug zu tun bleibe. Der Aufstockung werde der Bürgerschaftsvorstand „sicherlich zustimmen“, sagt Weber, „einen Rechtsanspruch darauf hat sie sowieso.“

BAT 1 sei keineswegs zu viel für den nun auszuschreibenden Job, „wenn man qualifizierte Leute haben will“. Das gelte auch, so Weber, obwohl der Journalisten-Markt derzeit übervoll ist. Bürgerschafts-Direktor Rainer Oellerich sagt zu der Dotierung der neuen Stelle: „Möglicherweise kommt man in die Situation, dass man eine bestimmte Person haben will, der man dann auch was bieten können muss.“

Möglicherweise ist die „bestimmte Person“ schon längst ausgeguckt. Ein namhafter und vor allem oft unbequemer Journalist einer großen Bremer Tageszeitung steht dem Vernehmen nach ganz oben auf Webers Wunschliste. Wenn dieser Mann die Herren und Damen PolitikerInnen durch seine Enthüllungen nicht mehr stören soll, dann muss man ihm zumindest das bieten, was der Pressesprecher des niedersächsischen Landtags aus der Ferne als „sehr komfortabel“ einstuft. susanne gieffers

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen