Am Scheideweg

Benjamin Auer gilt hierzulande als eines der größten Fußballtalente. In der Bundesliga darf er nicht spielen

BERLIN taz ■ Das Lachen wirkt gequält und die Worte, die Benjamin Auer dazu sagt, wie auswendig gelernt: „Letztes Jahr ging es mir schlechter.“ Das ist nun wirklich nicht unbedingt ein Satz, der Zuversicht ausstrahlt. Aber zumindest bündelt er die Gefühlslage des Mittelstürmers der deutschen U 21-Auswahl, die heute abend (21 Uhr) in Grosseto auf Italien trifft.

Wieder hat Auer keine Sekunde gespielt für Borussia Mönchengadbach, auch am Sonntag beim VfL Wolfsburg nicht. Zwar durfte er sich eine ganze Halbzeit lang warm laufen, dann aber musste er zusehen, wie Hans Meyer, Gladbachs Trainer, einen Stürmer nach dem anderen einwechselte, erst Witeczek, dann Küntzel, schließlich auch noch Aidoo. Nur ihn nicht. Gladbach verlor mit 0:1. Der Stürmer Benjamin Auer verliert langsam die Geduld. „Man muss sich Gedanken machen“, sagt er.

Obwohl: Ganz unschuldig an seinem Schattendasein ist der junge Mann aus der Pfalz nicht. Dabei ging es ihm zumindest körperlich vor einem Jahr ganz sicher schlechter. Bei der U 20-WM im argentinischen Córdoba verdrehte sich der Pfälzer so unglücklich das Knie, dass das Kreuzband riss. Die Folge: sechs Monate Pause. Als Genesungsgrüße gab’s dennoch warme Worte vom Bundestrainer. „Benjamin Auer ist ein Mann, den man für die WM 2006 im Auge haben muss“, schickte Michael Skibbe verbal Blumen ans Krankenbett. Blumen, die die Stimmung hoben und im Verbund mit Auers jugendlichem Trotz den bulligen Vollblutstürmer schon zur Rückrunde der vergangenen Saison wieder mitmischen ließen.

Auer gerdmüllerte in 67 Jugendländerspielen 46 Tore und in seinen acht U 21-Einsätzen traf er sieben Mal. Eine außergewöhnliche Bilanz, die ihn zu einer der begehrtesten Nachwuchshoffnungen des deutschen Fußballs gemacht hat. „Er hat das, was man einen Torriecher nennt. Und den haben nur wenige“, lobt Gladbachs Sportdirektor Christian Hochstätter. In Gladbachs System mit einem Mittelstürmer und zwei Außenstürmern darf Auer für seinen persönlichen Geschmack aber dennoch zu wenig Strafraumluft schnuppern. Nur acht Einsätze und ein Tor in der letzten Saison sind dem ehrgeizigen jungen Mann zu wenig. Zumal für Trainer Meyer auf Auers Position Arie van Lent gesetzt war.

„Ich will spielen, aber an van Lent komme ich nicht vorbei“, begründete Auer deshalb seine ablehnende Haltung, als ihm Hochstätter kurz vor Saisonbeginn ein lukratives Angebot unterbreitete, seinen 2003 auslaufenden Kontrakt vorzeitig zu verlängern. Eine Weigerung, mit deren Folgen er jetzt leben muss: Van Lent riss nur eine Woche später das Kreuzband, aber Auer steht nun nicht mehr auf der Rechnung der Gladbacher Verantwortlichen. „Wir werden ihm keine Bühne geben, damit er 2003 ablösefrei gehen kann“, stänkerte Hochstätter enttäuscht über Auers Haltung. Schnell wurde mit dem Belgier Joris van Huot ein weiterer Stürmer präsentiert – und bis zur Wiederherstellung van Lents wird an einer Lösung gebastelt, die noch vor Ablauf der Wechselfrist Ende August einen weiteren Stürmer an den Niederrhein locken soll.

Auer trainiere nicht gut, die Tür aber stehe dennoch weiterhin offen. Sagt Christian Hochstätter. Außerdem kommt die Kirch-Krise für Auer und seinen Berater Jörg Neblung zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Bisher war jedenfalls noch kein anderer Verein bereit, die hohe Ablöseforderung der Gladbacher zu zahlen und Auer aus seinem Vertrag herauszukaufen. „Am liebsten würde ich zwar in Gladbach bleiben, aber wenn jetzt noch ein Stürmer kommt, sehe ich ganz schwarz für mich“, seufzt Auer, der nun wie der Gelackmeierte seines eigenen Vertragspokers dasteht. Da kommt die Bühne, die ihm die U 21 heute Abend bietet, gerade recht. Gefahr lauert freilich auch hier. „Neben einer guten Leistung in der U 21 verlange ich auch gute Leistungen im Verein“, sagt nämlich Jürgen Kohler, der neue U 21-Coach.

Benjamin Auer, das muss man nach alledem feststellen, steht am Scheideweg. Eine weitere Saison ohne Spielpraxis kann er sich nicht leisten, einen neuen Verein zu finden, der ihn auch noch spielen lässt, ist derzeit nicht leicht. Angeblich hat Hertha BSC Interesse. Aber die Berliner haben gerade Luizão verpflichtet, einen Weltmeister aus Brasilien. TOBIAS SCHÄCHTER