: Nur noch unterirdisch
Der FC St. Pauli geht beim spielstarken Aufsteiger VfB Lübeck mit 0:6 unter. Ein völlig emotionsloses, fast gleichgültiges Dreinfinden in das Debakel
von TORSTEN HOPPE/OKE GÖTTLICH
Wenn die Spieler des FC St. Pauli doch nur annähernd so emotional wären wie andere Angestellte des Vereins, ginge es mit dem Verein bald wieder bergauf. Noch vor Beendigung der regulären Spielzeit sprach ein Angestellter mindestens dreimal davon, dass er seinen Arbeitsvertrag sofort kündigen wolle. Heulen wäre bei der 0:6-Schlappe in Lübeck um die Tränen zu schade gewesen. Ein Wunder, dass die Fans der Braun-Weißen nicht spätestens nach 70 Minuten das Stadion verlassen haben. Aber wenn sich das Team um den Interimscoach Joachim Philipkowski weiterhin so gleichgültig präsentiert, dürfte es nicht mehr lange dauern. Selbst wenn Philipkowski sich anschließend schnell „bei den Fans entschuldigen“ wollte.
Die Spieler verhielten sich nach 90 Minuten weiterhin wie zuvor auf dem Feld. Kaum einer zeigte sich bereit, Stellung zum desaströsen Ausgang zu beziehen. Immerhin haben sie eines perfektioniert: Unterirdischen Fußball.
Nur Holger Stanislawski und Markus Lotter, die als Mannschaftsräte die Beurlaubung Dietmar Demuths befürworteten, nahmen Stellung. „Am besten, wir melden die Mannschaft vom Spielbetrieb ab, aber leider geht das nicht“, verbreitete der Kapitän nicht gerade Optimismus. Auch er wird wissen, dass man mit einer unbeweglichen und über 90 Minuten überforderten Abwehrkette hinter einem torungefährlichen Brasilianer und einem ideenlosen, fehlpassenden und im Fall Inceman (Rot/52.) überharten Mittelfeld in der Liga nicht bestehen wird.
Selbst die sofortigen Veränderungen des Teams durch Philipkowski verblassten durch die traumhaften Kombinationen der Regionalligaaufsteiger aus Lübeck. Und die defensive Ausrichtung mit nur einem Stürmer, die darauf schließen ließ, das St. Pauli als oberstes Ziel die Verhinderung von Gegentoren anstrebte, wurde komplett ad absurdum geführt. „Die Spieler versteckten sich selbst in der eigenen Defensive“, stellte Präsident Reenald Koch fest.
Übrigens, der VfB spielte ein richtig gutes 4-3-3-System und hätte leicht noch mehr Treffer erzielen können, hätte sich Ex-St. Paulianer Jens Scharping nicht nur auf das Vorbereiten von Toren beschränkt. Vielleicht sollte der FC St. Pauli mal bei Lübecks Coach Dieter Hecking anfragen. Der scheint zu wissen, wie man Fußball richtig spielt. Schade nur, dass dieser gerade bis 2005 beim VfB verlängert hat.
Lübeck: Wilde, Türkmen, Hasse, Kullig, Laaser, Mbidzo (Achilles/73.), Schweißing (Plaßhenrich/65.), Weißhaupt, Kruppke (Thioune/62.), Bärwolf, Scharping
St. Pauli: Henzler, Traub, Gruszka, Stanislawski, Adamu, Racanel (Meier/56.), Rasiejewski, Lotter, Inceman, Kurbjuweit (Scheinhardt/73.), Marcao (Yang)
Tore: 1:0 Schweißing (35.), 2:0 Bärwolf (39.), 3:0 Bärwolf (50.), 4:0 Mbidzo (62.), 5:0 Thioune (70.), 6:0 Hasse (81.)
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