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berliner szenen Autogrammstunde

Rosenstolz, Markus Wolf

Wir rufen, ihr kommt, so funktioniert das, solange für Musiker alles funktioniert. Rosenstolz haben ihre Fans gerufen, und jetzt sind sie da, zur Autogrammstunde. Brav haben sie sich in einer langen Schlange aufgereiht, die sich zwischen den CD-Regalen im Saturn am Alex hindurchwindet, bis hinaus auf den heißen Alexanderplatz. Leider sehen die Menschen langweilig heterosexuell und ostdeutsch aus. Peter Plate und AnNa R. stehen hinter einer Pressspantheke, an der sonst blaukittelige Saturn-Verkäufer Auskunft geben. Das ganze ist so glamourös wie ein Gang zum Bezirksamt. Plate nimmt einen Schluck aus der Red-Bull-Dose, er lächelt betrunken. „Sieht die geil aus“, tuschelt ein stark schwitzendes Mädchen ihrer Freundin zu, als sie einen Blick auf die sehr rot gefärbte Sängerin AnNa erhascht. Aus den Boxen klingt endlos: „Macht Liebe“, ein Lied vom neuen Album. Ein Junge stöhnt: „Schrecklich“ und wirft aus Versehen einen Stapel mit reduzierten Nana Mouskouri-CDs um. „Eine Stunde hab ich mir die Beine in den Bauch gestanden“, erzählt ein anderer Junge und zeigt stolz die Edding-Unterschrift auf einem Starposter.

Jetzt ist er der Star, alle schauen ihn an, wie er da in der nächsten Schlange wartet. Diesmal draußen auf dem Alex, vor dem Neues-Deutschland-Stand, inmitten von älteren Damen und Herren in Grau, Beige und Gelb. Sie stehen für Markus Wolf an. Eine Dame im schwarzroten Blümchenkleid, Moskauer-Diplomaten-Linie, zieht ihre schwarze Sonnebrille nach unten und schaut auf den Jungen, der hinter ihr steht und so radikal gegen den Altersdurchschnitt verstößt. Der Junge lächelt belustigt. Als er vor Markus Wolf steht, lässt er den ehemaligen Stasi-General auf dem Rosenstolz-Poster unterschreiben. HENNING KOBER

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