lokalkoloratur

Die SPD heißt jetzt Bündnis 90/Die Grünen, sonst ändert sich nichts. Der Saal ist voll, auf der Bühne wird reinste sozialdemokratische Dixieland-Musik gespielt, draußen gibt es Bockwurst und Bier, und drinnen sitzen die angegrauten Kinnbärte und warten auf den Stargast. Grüner Wahlkampf mit Joschka Fischer im Jahr 2002 ist SPD-Culture at its best. Der Wahlabend in der brechend voll besetzten Norderstedter TriBühne (allein der Name des Veranstaltungssaals erinnert an Locations für hansscheibnersches SPD-Kabarett) am Montagabend ist Futter fürs Lehrbuch eines politikwissenschaftlichen Seminars mit dem Titel: Die Sozialdemokratisierung der grünen Partei. Fischer ist der Willy Brandt, der Lafontaine und der Schröder in einer Person. Ein Popstar. Nicht umsonst hatten PressefotografInnen die Anweisung, Fischer dürfe nur während der ersten fünf Minuten seiner Rede fotografiert werden – man kennt das aus Rockkonzerten. Der Außenminister musste nur die Begriffe Westerwelle oder Kompetenzteam in den Raum werfen, schon ertönte wissendes Gelächter im Publikum. Man fühlt sich gut aufgehoben in der grünen Heimeligkeit, und „Kriegstreiber“ ruft auch niemand mehr, auch wenn Fischer sich das bei seinen Auftritten wünscht, weil er sich mittlerweile ein ganzes Arsenal publikumswirksamer Reaktionen auf Zwischenrufe zurechtgelegt hat. Ansonsten schafft er es noch immer, sein Publikum zumindest nicht zu langweilen. Und das ist nach dem Fernsehduell ja schon was. AHA