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Seifenkiste mit Hilfsmotor

Eine Münchner Firma namens „Loremo“ will rund 3.500 Jobs in einer Autofabrik in Bremerhaven schaffen. Ex-Senator Nölle hat seine Finger im Spiel. Experten halten das Projekt für unseriös

Verkauft wird in Supermärkten, gewartet im „Pit-Stopp“

140 Sachen Spitze, 430 Kilo schwer und nur 1,5 Liter Diesel auf hundert Kilometer. Da müssen die Fahrer nur noch fünfmal im Jahr Tanken, weil eine Füllung 2.500 Kilometer weit reicht. „Wir bauen das billigste Auto der Welt“, sagt Gerhard Heilmaier, Geschäftsführer der Münchner Ingenieurfirma Loremo („Low Resistance Mobility“). Noch gibt es nicht einmal einen Prototypen der flachen Plastik-Kiste. Aber ab 2005 sollen schon die ersten Wunderwägelchen mit dem Arbeitsnamen L 22 Eco vom Band laufen, ab 2007 sogar 100.000 pro Jahr. Kostenpunkt der Kiste: 10.000 Euro.

Jetzt kommt es sogar noch doller: „Nur noch eine knappe Handvoll Standorte sind im Wettbewerb“, sagt Heilmaier. Orte in Sachsen, Frankreich und Polen stehen angeblich noch für das 250-Millionen-Euro-Projekt zur Auswahl – und: Bremerhaven.

Heilmeyer: „Noch in diesem Jahr steht der Fabrikstandort fest.“ Bremerhaven habe gute Chancen für die Ansiedlung, da man von hier aus einen Gutteil der Produktion sofort nach Fernost schippern könnte, meint der Loremo-Chef.

Derzeit habe die Firma 13 feste Mitarbeiter. Bei Produktionsbeginn brauche die Fabrik 1.800 Beschäftigte, bei Zulieferbetrieben entstehe noch einmal die selbe Zahl an Jobs. Dass es in Bremerhaven kaum ausgebildete Arbeitskräfte aus der Autoindustrie gebe, sei kein Hindernis, betont Heilmeier: „Unser Fahrzeug wird komplett neuartig montiert“. Alles werde in fast fertigen Modulen geliefert und nur noch zusammengestöpselt.

Auch hinter Vertrieb und Wartung stehe ein neues Konzept. Die Reparaturen sollen Werkstatt-Ketten wie „Pit-Stopp“ übernehmen, verkauft werde im Supermarkt. Heilmeier: „Vor fünf Jahren kaufte man seinen Rechner beim Fachhändler, heute ist Aldi drittgrößter Computerhändler im Land.“ Wer das Ganze bezahlen werde, sei natürlich noch geheim, sagt Heilmeier. Aber: „Wir sprechen mit Investoren auch aus dem Ausland“.

„Loremo ist mir letztes Jahr auf der IAA aufgefallen“, sagt Ulrich Nölle, der Ex-CDU-Finanzsenator, der vor einigen Monaten schon ein paar hundert Callcenter-Jobs der Telekom nach Bremen holen wollte. Die Firma hätte Standorte vor allem in den neuen Ländern gesucht. Da Bremerhaven aber in Sachen Arbeitslosigkeit der Osten des Westens sei, habe er sofort Fishtown (7.000 Joblose) ins Spiel gebracht. Als Standorte habe Nölle zwei Gelände, die so genannte Luneplate und die ehemalige Carl-Schurz-Kaserne angeboten: „Die habe ich als Finanzsenator vom Verteidigungsminister gekauft“, sagt Nölle. Nur: Da aus der geplanten Ansiedlung einer Beck‘s-Abfüllerei nichts wurde, steht das 100 Hektar große Kasernengelände leer, ist aber immerhin erschlossen. Jetzt müsse man nur noch Standort und Finanzierung klar haben. Dann, so Nölle, „kaufe ich mir sofort so ein Auto“.

In Bremerhaven hält man indessen den Ball flach. So wirklich scheint niemand an das Projekt zu glauben. Der Magistrat hat sich noch nicht damit beschäftigt, die Bremerhavener Investitionsgesellschaft hat erstmal ein paar Formulare an den Millioneninvestor geschickt.

Nur ein Wissenschaftler aus Gelsenkirchen redet Klartext: „So ein Auto reißen einem die Leute bestimmt aus der Hand“, meint Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research (CAR). Aber der vielzitierte Auto-Experte der Fachhochschule Gelsenkirchen zweifelt trotzdem. „Das wäre ja eine eierlegende Wollmilchsau“, meint Dudenhöffer. Die Einführung eines neues Autos koste locker 1,5 Milliarden Euro, nicht 250 Millionen. Auch den Endpreis hält Dudenhöffer für „dubios“: „Das 1-Liter-Auto von VW kostet 60.000 Euro. Für 10.000 gibt es gerade mal eine Seifenkiste mit Hilfsmotor.“ Sein Kommentar: „Die Chance, dass ein seriöser Hersteller sowas macht, ist gleich null.“

Kai Schöneberg

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