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Die Wonnen der Wehmut

Hoher Kitsch: „Wach auf, Liebster“, ein Film des Wiedersehens von Eliseo Subiela

Manchmal passt alles zusammen. Da kommt ein sechs Jahre alter Film mit dem argentinischen Schauspieler Darío Grandinetti endlich in die Kinos. Derzeit ist der sensible Grandinetti im neuen Almodóvar-Drama „Hable con ella – Sprich mit ihr“ zu bewundern, als Marco, einsamer Mann am Bett einer Komapatientin. In „Despabílate Amor – Wach auf, Liebster“ spielt Grandinetti einen schwermütigen Journalisten, der auf Bitte seines Freundes Ricardo den Kontakt zu dessen Frau wieder aufnimmt. Zu Ana, die er in Jugendjahren verließ, die danach beschloss, ihr Leben wie im Koma zu Ende zu leben. Es ist ein Film des Wiedersehens, mit Ana, mit Grandinetti, und eine kluge Reflexion dieses Gefühls namens Nostalgie. Wer den Fünfziger Grandinetti in „Hable con ella“ lieb gewonnen hat, kann ihn hier noch einmal erleben: sechs Jahre jünger, ein trauriger Poet, genauso glatzköpfig, genauso einsam.

„Mutter“, fragt Anas volljähriger Sohn einmal, „wann beginnt eigentlich die ,nostalgia‘?“ Ganz sicher dann, wenn man der verlorenen Jugend nachtrauert und in der Liebeslyrik von Mario Benedetti redet. Das tut Grandinettis Ernesto so, wie er heißt: mit stillem Pathos, sanftmütig im Herzen, unversöhnlich im Geiste. Denn die Jugend, das waren nicht nur die wilden Rock ’n’ Roll-Partys, sondern auch die Zeit der argentinischen Militärherrschaft. Der Linke Ernesto träumte von Kuba und musste nach Kanada. Nach 25 Jahren versucht er wie alle anderen seinen durcheinander geratenen Gefühlshaushalt zu ordnen, verloren zwischen bürgerlicher Wehmut und dem Versuch, wenigstens im Privaten zu verwirklichen, was als gesellschaftliche Utopie scheiterte. Zur Freude Ricardos gibt er Ana die Sterne zurück, und das nicht nur in Form eines Teleskops. Mit der geheimnisvollen Kubanerin Vera erlebt der alte Ernesto noch einmal jene Magie der Liebe, die er nur noch aus der Erinnerung an den jungen kannte. Die Gedichte Benedettis funktionieren weniger als Dialog, eher als Soundtrack. Viel zu schnell werden die Worte in den Wind gesprochen. Sie sind wie Filme, von denen Vera sagt, sie hielten nur fest, was gewesen ist. Neu ist nur das Leben.

Mit diesem höheren Kitsch knüpft „Despabílate Amor“ nahtlos an seinen Vorgänger an. Wie in „Stirb nicht, ohne mir zu sagen, wohin du gehst“ verwirklicht Regisseur Eliseo Subiela seine Idee vom Kino als „poetischer Projektion der Welt“. So überaus gelungen ist das hier, weil es den suggestiven Bildern, der phantasievollen Dialogtechnik und dem unvermeidbaren magischen Realismus nie an Ironie fehlt. Rückblenden erinnern an den ersten Kondokauf und die Mondlandung, wegen der Ernesto beinahe einen Orgasmus verpasste. Und der lebensbejahende Ricardo ist der komische Kontrapunkt zum grüblerischen Klassenkämpfer von einst. Als „Elvis, der Elektrische“ trommelt er die alte Clique zu einer Party zusammen. Nicht ohne Hintergedanken: „Denk nur an die vielen geschiedenen Frauen!“ Der wahre Nostalgiker macht das Leben zum Fest, und Ernesto beginnt zu ahnen, dass dieser ewige Stenz der Weisere von beiden ist. PHILIPP BÜHLER

„Despabílate Amor – Wach auf, Liebster“, Regie Eliseo Subiela, mit Dario Grandinetti, Soledad Silveyra u.a., Argentinien 1996, 98 Min., tgl.18.30, 20.30 und 22.30 Uhr, Kino Eiszeit, Zeughofstr. 20, Kreuzberg

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