: Mehr Stimmzettel als Mitglieder
Einmalig in der Geschichte: Grüne in Hessen wiederholen ihren Listenparteitag für die Landtagswahl. Es gab „Manipulationen“ bei der Abstimmung über die Kandidaten. Landesvorstand verspricht: „Lücken im System“ sollen geschlossen werden.
aus WiesbadenKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
Erstmals in ihrer Geschichte werden die hessischen Grünen einen Listenparteitag wiederholen. Denn am Sonntag bei der Aufstellung der Kandidaten für die Landtagswahl im nächsten Februar sei es „in wenigstens einem Fall“ zu einer „versuchten Manipulation“ gekommen. Das räumte Landesvorstandssprecherin Evelin Schönhut-Keil gestern in Wiesbaden ein. So soll ein Mitglied gleich mehrere Stimmzettel in die Wahlurne geworfen haben. Gegen den mutmaßlichen Wahlfälscher werde beim Schiedsgericht der Partei umgehend ein Ordnungsverfahren eingeleitet. Dies kündigte Landesgeschäftsführer Dirk Langolf gestern an.
Die erneute Kandidatenkür soll am 26. Oktober „irgendwo in Mittelhessen“ stattfinden. Auch Hubert Kleinert hätte also wieder die Chance, anzutreten. Der ehemalige Landesvorsitzende der hessischen Grünen war am Sonntag enttäuscht von seinem Amt zurückgetreten, weil ihm die Basis einen sicheren Listenplatz verweigert hatte. Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass der Fischer-Vertraute eine weitere Wahlschlappe riskiert.
Obwohl der grüne Landesvorstand gestern die Pannen beim Wahlparteitag einräumte, relativierte er sie auch: Zumindest die Schlussabstimmung über alle Listenplätze sei nachweisbar korrekt verlaufen, so Schönhut-Keil. Nach „herrschender juristischer Meinung“ sei die Landesliste deshalb gültig. Aber: „Wir wollten es dem politischen Gegner nicht so einfach machen, von seinen eigenen Problemen abzulenken.“
Und tatsächlich hatte die CDU schon am Dienstag den Landeswahlleiter eingeschaltet, weil die Grünen „gegen das innerparteiliche Demokratiegebot verstoßen“ hätten. Auch die Landtagsfraktion der FDP meldete sich umgehend zu Wort: Möglicherweise sei es bei den hessischen Grünen ja auch schon bei der Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahl zu Manipulationen gekommen. Die Spitzenkandidaten auf der grünen Landesliste für den Bundestag sind Antje Vollmer und Joschka Fischer.
Ob die Wiederholung des Listenparteitages alle Diskussionen beendet, ist allerdings fraglich. Denn Langolf gab gestern auch zu, dass wenigstens „eine Person“ eine gültige Stimmkarte gehabt habe, ohne über einen Mitgliedsausweis zu verfügen. Einfache Mitglieder hatten sich schon am Sonntag bei den Abstimmungen über die hinteren Listenplätze darüber gewundert, dass plötzlich mehr Stimmen ausgezählt wurden als noch Mitglieder im Saal waren. Schließlich wurde eine Kandidatin, die schon gegangen war, gegen ihren Willen und in ihrer Abwesenheit auf Listenplatz 25 nominiert.
Es gebe „Lücken im System“, fand gestern auch Langolf. Er versprach, sie bis zum Wiederholungsparteitag zu schließen. Nach der Landtagswahl im Februar werde der Vorstand dann ein Reformpaket vorlegen. Wesentlicher Inhalt: das Delegiertenprinzip auch in Hessen. Doch das hat die Basis schon zweimal abgelehnt.
meinung SEITE 12
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen