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Kuba gehört erstmals seit über zehn Jahren nicht zum engsten Favoritenkreis bei einer Volleyball-Weltmeisterschaft. Verantwortlich dafür ist der Fidel Castro des kubanischen Ballsports

aus Havanna KNUT HENKEL

Eugenio George sitzt mit versteinerter Miene auf der Trainerbank in der Ciudad Deportiva. Mit Blicken dirigiert er die „morenas espectaculares“, wie die Volleyballspielerinnen in Kuba liebevoll genannt werden. Regla Torres, die vor einem Jahr zur weltbesten Spielerin des Jahrhunderts gekürt wurde, schüttelt unwillig den Kopf. Sie ist mit der Auswechslung durch George nicht einverstanden und verlässt murrend das Spielfeld. Das Verhältnis zwischen der Ausnahmekönnerin und dem legendären Coach, der das Team zu drei Olympiatiteln führte, ist nicht mehr das beste.

Übel genommen hat die 27-Jährige ihrem Coach, dass der sich öffentlich darüber mokiert hatte, dass nicht Mireya Luis die Auszeichnung zur Jahrhundertspielerin erhalten habe. Fast zwei Monate verfolgten die kubanischen Medien die ausgesprochen scheue Sportlerin, die sich entnervt zurückzog. „Die internationale Jury hat Regla ausgezeichnet. Sie kann doch gar nichts dafür, dass Mireya nicht berücksichtigt wurde“, erklärt Ivan Hernández, Cousin von Regla Torres. Mireya Luis, der Angriffsspielerin und Grand Dame des kubanischen Volleyballs, hätten viele Kubaner und eben auch Coach George den Titel zum Abschluss ihrer internationalen Karriere gegönnt.

Die haben auf Betreiben von Eugenio George auch Ana Ibis Fernández und Regla Bell beendet, die vor zwei Jahren noch in der siegreichen kubanischen Olympiaequipe standen. Ihre Leistungsgrenze hätten viele der Spielerinnen erreicht, analysierte George auf einer Trainertagung im Frühjahr letzten Jahres. Dort wurden die Grundlagen für den Neuaufbau der kubanischen Volleyball-Teams gelegt. Ein knappes Dutzend Nachwuchsspieler wurden bei den Damen wie den Herren in den Nationalkader berufen – verdiente Cracks in den Ruhestand geschickt. Doch der Umbruch ist bisher wenig erfolgreich. Yumilka Ruiz, Regla Torres und Marlenis Costa sind überfordert damit, den Nachwuchs an das internationale Niveau heranzuführen. Regla Torres hat mehr mit sich selbst und einer alten Knieverletzung zu tun, als dass sie dem Spiel ihrer Mannschaft die nötigen Impulse verleihen könnte. Marlenis Costa ist nach einer Babypause noch nicht wieder in Topform, und einzig Yumilka Ruiz besticht im Angriff durch exzellente Leistungen.

Zusätzliche Unruhe in die Mannschaft hat eine weitere Entscheidung von Cheftrainer George gebracht – das Ende des Italien-Abenteuers. Seit 1998 spielte eine ganze Reihe der kubanischen Volleyball-Cracks in der italienischen Liga – Männer wie Frauen. Der Deal war nicht nur für den kubanischen Verband, sondern auch für die Athleten, die zwischen zehn und dreißig Prozent der Einnahmen erhielten, lukrativ. Mit dem Geld, immerhin einige tausend US-Dollar, konnte man in Kuba gut leben. Doch auch aus sportlicher Perspektive war der Austausch wichtig, wie Regla Torres im Anschluss an den Finalsieg von Sydney analysierte. „Gerade die jungen Spielerinnen haben einen Sprung nach vorne gemacht, weil sie zweimal pro Woche auf höchstem Niveau spielen mussten.“ Nun soll sich der Nachwuchs wieder in der relativ schwachen nationalen Liga weiterentwickeln, wo Torres und Co. oft lustlos agieren. Keine ideale Vorbereitung, aber George hatte einen Verfall der Disziplin in Folge der Auslandsengagements ausgemacht. Und Disziplin geht dem Fidel Castro des Volleyballsports über alles, sodass er die Reißleine zog.

Mit Nancy Carrillo de la Paz (16) und Marta Zamora (17) stehen George zwei groß gewachsene Talente zur Verfügung, die die Lücken im Angriff schließen könnten. Beide haben mit 1,92 Metern Gardemaß, aber kaum internationale Erfahrung, was sich beim Grand Prix Anfang August in Hongkong negativ bemerkbar machte. Es hagelte Niederlagen und erstmals konnte man sich nicht für die Finalrunde qualifizieren. Russinnen, Chinesinnen, aber auch die deutschen und italienischen Frauen haben aufgeholt und sind zum Teil wesentlich spielstärker als die Kubanerinnen, die heute in Schwerin ihr erstes WM-Spiel gegen Korea bestreiten. Die Fans in der Heimat erwarten natürlich dennoch den dritten WM-Titel in Folge. Doch dazu braucht George ein eingeschworenes Team in absoluter Topform und eine Regla Torres, die die Fäden zieht – beides hatte der Ideologe des Volleyballs zuletzt nicht.

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