piwik no script img

Illusionslos happy

Nach dreieinhalb Stunden steht Thomas Haas in Runde zwei der US Open. Alexander Popp macht es kürzer

NEW YORK taz ■ Mit den Händen in den Hosentaschen stand er da, Füße in Badeschlappen, die kinnlangen Haare noch nass vom Duschen. Nein, setzen mochte er sich nicht, denn in seinen Waden zog es immer noch so sehr, dass er sich fürchtete vor einem späten Krampf. Das war nicht so schlimm wie am Tag vorher beim Kollegen Nicolas Kiefer, aber taufrisch wirkte Thomas Haas nach einem Spiel von fast dreieinhalb Stunden Dauer in Runde eins der US Open in Flushing Meadows auch nicht mehr. Über die Qualität seines Spiels in fünf wechselvollen Sätzen gegen David Sanchez aus Spanien (7:6, 3:6, 3:6, 6:4, 7:5) machte er sich keine Illusionen, wie seinem ebenso treffenden wie knackigen Kommentar zu entnehmen war. „Egal, wie hässlich das aussehen mag“, meinte Thomas Haas, „wichtig ist, dass man durchkommt.“

Zugegeben, die Partie hielt keinen Vergleich aus mit jener vom Tag zuvor zwischen Kiefer und Marat Safin, aber darauf kam es auch nicht an. Es gab genug, worüber sich Haas aufregte in den dreieinhalb Stunden zwischen Anfang und Ende – der erzwungene Hemdenwechsel, weil sein ärmelloses Modell nicht den Vorschriften entsprach, der böige Wind, die Nachlässigkeiten im eigenen Spiel, der lästige Schmerz im Ellbogen –, doch der 24-jährige Tennisprofi wehrte sich gegen all das mit Erfolg. Es hat in der Vergangenheit schon Spiele gegeben, die er aus geringerem Anlass verloren hat.

Dass er sich kurz vor Schluss fast noch um den Lohn der Mühe gebracht hätte, passte da ins Bild. Mit Doppelfehlern bei den ersten beiden Matchbällen und einem weiteren Doppelfehler zum Breakball brachte er Sanchez fast noch einmal ins Spiel, und erst mit Matchball Nummer vier war der Fall dank der freundlichen Hilfe des Spaniers schließlich erledigt. Mächtig nervös war Haas in diesen entscheidenden Momenten, doch umso größer war die Erleichterung, als er sah, wie der letzte Return des Spaniers neben der Seitenlinie landete.

Fünf Sätze schon in der ersten Partie, darin kann man Gutes und weniger Gutes sehen. „Sicher hätte ich lieber Kraft gespart“, sagt Haas, „aber vielleicht hilft das jetzt dem Selbstvertrauen.“ Nach sechs Wochen Pause im Sommer wegen des schweren Motorradunfalls seiner Eltern ist er erst seit Ende Juli wieder dabei. Die Dinge laufen zwar seitdem nicht schlecht, aber bei weitem noch nicht gut. Einen Teil des Problems machen auch die Beschwerden im rechten Arm aus. Aus der Schulter hat sich die Entzündung inzwischen in den Ellbogen verlagert, den Schmerz dort wird er einfach nicht los.

Aber Siege sind für vieles gut, und manchmal beruhigen sie auch einen rätselhaften Schmerz. So oder so, die Reise geht weiter. In Runde zwei trifft Haas auf einen alten Bekannten, den Slowaken Karol Kucera. Der ist zwar nicht mehr so stark wie ehedem und der letzte nennenswerte Erfolg bei einem Grand-Slam-Turnier liegt auch schon Jahre zurück, aber das muss nicht viel heißen. Wer Kucera kennt, der weiß, das im Guten wie Schlechten jederzeit alles möglich ist.

Über die Wechselfälle des Tennisspiels wie des Lebens hat Alexander Popp in den vergangenen zwei Jahren auch einiges gelernt. Der 26-Jährige sah zwar nach dem Sieg gegen den Schweden Andreas Vinciguerra (7:6, 7:6, 6:2) reichlich Möglichkeiten zur Steigerung, aber vor allem war dieser Sieg der erste bei einem Grand-Slam-Turnier seit den Australian Open im Januar 2001. Alexander Popp? Genau, das ist jener baumlange Typ, der vor gut zwei Jahren in Wimbledon auf einmal völlig überraschend im Viertelfinale stand, aber bald danach vom Pfeiffer’schen Drüsenfieber auf höchst unangenehme Art gebremst wurde. So schnell er aufgestiegen war, so schnell war er auch wieder verschwunden, nun kommt er auf dem mühsamen Weg zurück endlich voran.

Vor einem Jahr stand er in der Weltrangliste noch auf einem Platz in der Nähe der 300 und hatte keine Ahnung, wie das alles weitergehen soll, inzwischen gehört er wieder zu den besten Hundert, mit steigender Tendenz. Zur weiteren Verbesserung könnte ein Sieg in Runde zwei gegen den Armenier Sargis Sargsian nicht schaden, doch Popp sieht die Sache gelassen. „Ich denke schon, dass ich eine realistische Chance habe, wieder unter die ersten 50 zu kommen, aber ich bin vorsichtig geworden. Vor zwei Jahren hab ich mir so viele Ziele gesetzt, und die sind alle in den Sand gegangen.“ Schritt für Schritt heißt die Devise deshalb, und bloß keine künstliche Aufregung. DORIS HENKEL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen