Wegschließen für ein Jahr

Senat beschließt: Am 1. Dezember werden 25 geschlossene Heimplätze für Jugendliche eingerichtet. Internationale Expertentagung fordert Null Plätze

„Zentrales Ziel des heute beschlossenen Konzeptes ist, das Angebot der Jugendhilfe zu erweitern“, sagt Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU). Das, was die Palette bereichern soll, heißt geschlossene Heime für Jugendliche. Der Rechtssenat hat gestern die Einrichtung von 25 Heimplätzen für Jugendliche zum 1. Dezember beschlossen. Zusätzlich sollen zehn Plätze für Kinder, also Unter-14-Jährige, in bestehenden Einrichtungen „hergerichtet“ werden. Und wenn das aus Senatssicht nicht ausreichen sollte, kommen in einer „zweiten Stufe“ noch mindestens 50 Plätze für Jugendliche und 25 für Kinder hinzu.

Dies alles geschieht um „des Kindeswohls willen“, wie Schnieber-Jastram wiederholt betont. Das so genannte Familien-Interventionsteam FIT, das ebenfalls ab Dezember beim Amt für Jugend angesiedelt ist, wird dafür sorgen, dass straffällige Jugendliche, falls Hausbesuche bei den Eltern nichts fruchten, „ohne Zögern“ ins Heim kommen. Die jungen Menschen sollen dann „mindestens ein Jahr“ in der geschlossenen Unterbringung bleiben, bei Kindern denkt die Behörde sogar über noch längere Aufenthalte nach.

Pro Tag und Platz rechnet Schnieber-Jastram mit Kosten von 220 bis 250 Euro. Geld, das unter anderem dadurch hereingeholt werden soll, dass eine der bislang existierenden intensiv betreuten Jugendwohnungen der Stadt geschlossen wird. Außerdem will man Betriebskosten aus dem Hilfe-zur-Erziehung-Topf heranziehen.

Der heftige Protest, den die Wiedereinführung der geschlossenen Unterbringung 20 Jahre nach ihrer Abschaffung hervorgerufen hat, hat die Senatorin „ein bisschen überrascht“. Schließlich „sind wir ja nicht die Einzigen und Ersten, die dies in Deutschland einführen“. Auch Bayern und Baden-Württemberg haben Heimplätze eingerichtet.

Fachleute aus der Jugendhilfe lehnten das Konzept der geschlossenen Unterbringung gestern erneut klar ab. Der Protest der Expertentagung der „Internationalen Gesellschaft für Erzieherische Hilfen“ (IGFH) im Rauhen Haus artikulierte sich bereits im Titel: „200? 90? Null ! Warum Hamburg keine Plätze für die geschlossene Unterbringung braucht“. Die Münsteraner Professorin Karin Böllert kritisierte, die Zahl von 90 Plätzen sei arg überdimensioniert. Böllert ist Mitverfasserin des 11. Jugendberichts der Bundesregierung. Darin lehnen die Experten die geschlossene Unterbringung prinzipiell ab: Lediglich für eine kleine Gruppe könne sie nötig sein. Als realistische Größe nannte Böllert den Stand von 1998. Damals gab es 84 Plätze in ganz Deutschland.

Strittig ist auch die geplante Dauer der Maßnahmen von einem Jahr. So erlaubt das Gesetz den Freiheitsentzug bei Kindeswohlgefährdung nur für kurze Zeit. Peter Ahrens/Kaija Kutter