off-kino Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet

Das Weltbild amerikanischer Sciencefiction- und Horrorfilme gestaltete sich in den Fünfzigerjahren überwiegend schlicht. Die Bedrohung für die menschliche Gemeinschaft kam von außen: weltenerobernde Aliens, prähistorische Lebewesen, monströse Mutationen. Bei der Bekämpfung dieser Schrecknisse konnte man sich ganz auf traditionelle und kaum jemals in Frage gestellte Strukturen verlassen: Familie, Freunde, Nachbarn, Kollegen – nach einem ersten Moment der Ungläubigkeit stemmten sie sich dann doch alle gemeinsam und zumeist erfolgreich gegen die Gefahr. Und falls einmal alle Stricke rissen, gab es immer noch den Staat. Man rief einfach das Militär zu Hilfe, und schon kam die Welt wieder in Ordnung. Eine etwas differenziertere Philosophie verfolgen die Filme von Jack Arnold: Da gab es dann schon auch Außerirdische, die sich zur Abwechslung einmal von den Menschen bedroht sehen („It Came from Outer Space“). Und obwohl auch am Ende von Arnolds klassischem Monsterwerk „Tarantula!“ ein Militäreinsatz steht – Clint Eastwood bombt die monströse Riesenspinne mit Napalm in Grund und Boden – bot selbst dieser Film ein kleines Extra: Tatsächlich fußte die Geschichte auf einer Begebenheit, auf die Arnold gestoßen war, als er Jahre zuvor im Auftrag des Landwirtschaftministeriums einen Dokumentarfilm gedreht hatte. Ging es in „Chicken of Tomorrow“ darum, Hühnern besonders viel Fleisch an die Brust zu züchten, so zeigt Arnold in „Tarantula!“, wie ähnlich gedachte Experimente des wohlmeinenden Professors Deemer (Leo G. Carroll) außer Kontrolle geraten. Neben einer Kritik an der vermeintlichen Allmacht der Wissenschaft ist „Tarantula!“ natürlich auch und vor allem ein souverän inszenierter Spannungsfilm, in dem Arnold gern mit den Erwartungen seines Publikums spielt. Besonders faszinierend sind nämlich jene Szenen, in denen die Spinne nicht angreift …

„Tarantula!“ 15. 9. im Z-inema

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Eigentlich ist er ganz schön bösartig, jener von Astrid Lindgren erdachte „Karlsson auf dem Dach“, den der kleine Lillebror aus Stockholm eines Tages kennen lernt, weil Karlsson dank eines Propellers auf dem Rücken auch fliegen kann. Als wirklich angenehmer Freund stellt sich das dickliche Männchen allerdings nicht heraus: Karlsson ist egozentrisch, großkotzig und ziemlich zerstörungswütig – was beispielsweise Lillebrors schöne Dampfmaschine alsbald zu spüren bekommt. Ursprünglich atmete die Geschichte dieser ungewöhnlichen Bekanntschaft den Geist der 50er-Jahre: Karlsson, der Anarchist vom Dach, konterkarierte die Biederkeit einer Epoche, in der man vor allem darauf bedacht war, dass das Leben in schön geordneten Bahnen verlief. Olle Hellbom (der auch die klassischen Saltkrokan- und Pippifilme in Szene gesetzt hat) verfilmte den Kinderbuchklassiker allerdings erst in den liberalen 70er-Jahren, was dem Film eine merkwürdige Spannung verleiht: Der dicke Karlsson wirkt wie ein (noch immer amüsantes) Relikt aus einer anderen Zeit, das die modernen Kinder eigentlich nicht mehr wirklich benötigen.

„Karlsson auf dem Dach“ 14. 9.–15. 9. im Nickelodeon

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So kann es also auch gehen: Die Regisseure Chris Sanders und Dean DeBlois machten den Disney-Studios das ungewöhnliche Angebot, mit einer geringen Zahl von Mitarbeitern einen gegenüber herkömmlichen Produktionen weniger kostenintensiven Zeichentrickfilm zu schaffen – und bekamen im Gegenzug größere Freiheiten bei der Entwicklung ihrer Story zugesichert. So wurde „Lilo und Stitch“ mit seinen rotzigen Figuren und amüsanten Elvis-Parodien zu einem der frechsten Disney-Filme seit langem: Lilo, die kleine trotzköpfige und ziemlich schlagkräftige Hawaiianerin, und Stitch, eine ziemlich hinterhältige, auf Zerstörung programmierte außerirdische Kreatur, nehmen die Welt nämlich erst einmal ganz schön auseinander, ehe sie in Disney-Manier schließlich doch noch familienfreundlich wieder zusammengesetzt wird. Und doch: Die Schwierigkeiten, mit denen Lilos Schwester Nani als völlig überforderte Ersatzmutter zu kämpfen hat, lassen ein für Zeichentrick-Verhältnisse recht ungewöhnliches Problembewusstsein erkennen.

„Lilo und Stitch“ 12. 9.–19. 9. im Blow Up 1, Broadway D, Kinocenter Spandau 1, Passage 3; 12. 9.–15. 9., 17. 9.–19. 9. im Titania Palast, 14. 9.–15. 9. im Cosima, Filmtheater am Friedrichshain, Thalia 2, Xenon; 15. 9. im Casablanca

LARS PENNING