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Religiöses im Kultort

Konkurrierende Wahrnehmungen in der Kunsthalle: Die Yoga-Ausstellung von Benita-Immanuel Grosser

Seltsame Veränderung in der Kunsthalle: Der Boden eines Raumes ist blau gestrichen und mit einem nach Osten ausgerichteten Raster markiert. Es bestimmt in Analogie zu alten indischen Mandalaformen Plätze für Matten, auf denen Yoga praktiziert werden soll. Was aber hat Körperpraxis mit religiösem Hintergrund in der für künstlerische Innovationen vorgesehenen Ausstellungsreihe ,,Standpunkte“ zu suchen? Der Raum darf nur ohne Schuhe betreten werden. So müssen die Besucher der Ausstellung participating at the same time sich gleich auf eine der Regeln des Künstlerpaares Benita-Immanuel Grosser einlassen, die unter dem Namen Y8 in Hamburg auch eine Yogaschule betreiben.

Aber soll religiös motiviertes Tun in die Kunsthalle einziehen? Das Museum ist der Ort, an dem einst Altarbilder aus dem Kultzusammenhang gelöst wurden, um sie ästhetisch zu betrachten. Doch inzwischen ist das Museum selbst zu einem Kultort geworden. Ein eindeutig festgelegtes Ritual wie Yoga ruft da die Frage nach den Ritualen der Teilhabe an der Kunst ins Bewusstsein. Yoga im Museum ist also weniger ein fremder, als ein konkurrierender Anspruch auf Wahrnehmung von Körper und Bild.

Gegen erhebliche Widerstände praktizieren die Künstler/Yogalehrer Benita-Immanuel Grosser schon seit sechs Jahren weltweit von New York bis Leipzig auch in Kunsträumen ihre Grenzüberschreitungen. Erstmals wird es nun sogar ein indisches Konzert in der Kunsthalle geben: Am 28. September interpretiert Sant Venugopal Goswami mit seinem Ensemble dort die Yogaphilosophie. Die für die Konzertbühne geplanten Kulissen sind in der Ausstellung künstlerisch gelagert.

Gegenüber nimmt ein sehr langes, blaues Himmelsbild die ganze Wand ein, auf dem auch ein Kleinflugzeug zu erkennen ist: Es soll den Yoga-Meister Swami Vishnu-Devananda am 15. September 1983 beim Flug über die Berliner Mauer zeigen, einen seiner zahlreichen „Friedensflüge“ in Krisengebieten. Dabei ist das Bild als Dokumentation so ortlos, das es eher eine allgemeine, utopische Vision des Fliegens ist und ein Zeichen der Freiheit des Geistes über die irdischen Widrigkeiten. Hajo Schiff

Di–So, 10–18 Uhr, Do bis 21 Uhr, Kunsthalle (Yogasessions jeden Samstag 11–13 Uhr, Anmeldung unter ☎ 41 42 45 46); im Gegenzug zeigt die Kunsthalle im Y8/Internationales Sivananda Yoga Center Videoarbeiten: Mo–Fr 16–18 Uhr, Kleiner Kielort 8; beide Ausstellungen bis 3. November

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