: Aus King wird Kong
Viele Zahlen und ein wenig Hoffnung schöpfen Diesel-Nürnberger aus dem 1:2 gegen Formel-1-Bayern
NÜRNBERG taz ■ Kommt der FC Bayern, freut sich der Gegner. Denn zumindest ein volles Stadion ist garantiert. 44.767 kamen zum 165. bayrischen Derby des 1. FC Nürnberg gegen den Dauermeisterschaftsfavoriten aus der Landeshauptstadt. Noch mehr Zahlen gefällig? Das schlussendliche 2:1 war der 700. Bundesligasieg der Bayern. Ihr Cheftrainer Ottmar Hitzfeld freute sich über seinen 200. Erfolg als Übungsleiter. Auch der Club hatte etwas beizutragen: Sasa Ciric verwandelter Foulelfmeter war nicht nur der zwischenzeitliche Ausgleich, sondern zudem das 1.000. Tor des 1. FC Nürnberg in 22 Jahren Bundesliga-Zugehörigkeit.
Dass diese letzte Statistik weiter verbessert werden könnte, daran glaubt man in Nürnberg nun wieder ein wenig fester – trotz der Niederlage. Zwar grantelte Trainer Klaus Augenthaler sanft wie gewohnt, verglich die Seinen mit einem Diesel-Fahrzeug und wollte auf der anderen Seite einen Formel-1-Bolliden gesehen haben, aber zeigte sich doch grundsätzlich zufrieden – jedenfalls verglichen mit dem Desaster von Bremen, das ja nur vier Tage zurücklag.
Zu diesem wohlwollenden Gesamteindruck hatten die Münchner beigetragen, indem sie nicht ihr bestes Spiel ablieferten: Man tat meist nur das Nötigste und erfüllte doch die Erwartungen. Millionenjunge Michael Ballack schoss beide Tore und seinen neuen Arbeitgeber damit an die Spitze der Liga.
So schienen alle glücklich. Alle bis auf Oliver Kahn. Zuerst holte er David Jarolim in der 35. Minute im Strafraum von den Beinen, obwohl der ins Abseits gelaufen war, und verhalf den Nürbergern zum Elfmeter. In der 75. Minute schließlich prallte er so unglücklich mit dem eingewechselten Martin Driller zusammen, dass beide benommen liegen blieben. Von da an war es aus mit der Schonzeit für den in Japan und Südkorea Heiliggesprochenen. Plötzlich war er wieder der Uh-Uh-Kahn, den man mit Bananen bewerfen darf. Für einige Clubfans schien endlich die Zeit gekommen, alte Rechnungen zu begleichen. Jede Aktion des Keepers wurde fortan mit einem gellenden Pfeifkonzert quittiert, und der Stadionsprecher forderte die Seinen auf, ein Plakat abzuhängen: „Nur Vizeweltmeister, Olli Kahn ist schuld“.
Der Bundesligaalltag ist also endgültig zurück: Die Bayern gewinnen, der Club steht voller Hoffnung auf einem Abstiegsplatz, und aus King Kahn ist wieder Gorilla-Kahn geworden.
PETER-MICHAEL PETSCH
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