: Reise gegen Residenzpflicht
Mit einer Karawane durch die Republik demonstrieren Flüchtlinge und Migranten gegen Diskriminierung und das neue Zuwanderungsgesetz. Ab heute Veranstaltungen in Berlin
Die Flüchtlingskarawane kommt heute zum Abschluss ihrer vierwöchigen Deutschlandtour nach Berlin. Wie bereits 1998 möchte das Bündnis vor den Bundestagswahlen besonders auf die Situation der Flüchtlinge hinweisen. In diesem Jahr lautet das Motto „Asylrecht ist Menschenrecht – Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört!“
Das breite Bündnis von Migranteninitiativen und Menschenrechtsgruppen veranstaltet ein umfangreiches Programm. Heute Abend wird im Hauptgebäude der Technischen Universität (TU) eine Ausstellung über deutschsprachige Bücher von schwarzen Migranten gezeigt, und es gibt Redebeiträge von verschiedenen Initiativen.
Eine Diskussionsveranstaltung am Donnerstag informiert über das neue Zuwanderungsgesetz. Das Gesetz, das im Januar 2003 in Kraft treten soll, steht dieses Jahr im Zentrum der Kritik. Die soziale Ausgrenzung von Flüchtlingen werde sich mit der Gesetzesänderung weiter verschärfen, Flüchtlingen werde so jegliche Lebensperspektive geraubt, so die Einschätzung des Bündnisses.
Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin hatte das Zuwanderungsgesetz zuvor bereits kritisiert. Die neuen Einschränkungen des Asylrechts seien vergleichbar mit dem „Asylkompromiss“ von 1993. Die Residenzpflicht werde zum Teil ausgeweitet und die Regelungen zur Abschiebehaft blieben entgegen der rot-grünen Koalitionsvereinbarungen unverändert. Mit den neuen „Ausreiseeinrichtungen“ werde die Einweisung von Flüchtlingen in Sammellager ausgeweitet – nach Ansicht von Classen „ein Beitrag zur geistigen Brandstiftung“.
Vergangene Woche hatte der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) die erste Ausreiseeinrichtung Bayerns vorgestellt. „Den Leuten soll klar gemacht werden, dass sie keine Chance mehr in Deutschland haben“, sagte Beckstein.
Das Ziel der Karawane, die Situation der Flüchtlinge vor der Bundestagswahl publik zu machen, ging gestern in Erfüllung, allerdings wird die Debatte von ungeliebter Seite geführt. Beckstein, in Stoibers Schattenkabinett als Bundesinnenminister vorgesehen, stellte gestern in Berlin ein Sofortprogramm mit dem Titel „Weniger Zuwanderung, mehr Integration“ vor. Er warf der Bundesregierung vor, Deutschland in ein multikulturelles Einwanderungsland verwandeln zu wollen.
Angesichts des aktuellen Zuwanderungsgesetzes erscheint diese Sorge unbegründet. Nach Ansicht des Geschäftsführers von Pro Asyl, Günter Burkhardt, versuchen sowohl Politiker von der Union als auch von der SPD verstärkt mit fremdenfeindlichen Ressentiments Wählerstimmen zu gewinnen. Auch dagegen plant das Karawane-Bündnis eine Demonstration am kommenden Samstag. TILL BELOW
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