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Skandal an der Strombörse

Skandinaviens deregulierter Strommarkt in schlechtem Licht: Konzerne sollen durch Manipulationen zu hohe Rechnungen gestellt haben. Zurück zum regulierten Markt?

Teilweise stehen sich die gleichen Firmen als Anbieter und Käufer gegenüber

STOCKHOLM taz ■ Skandinavische StromkonsumentInnen sind möglicherweise von ihren Stromlieferanten um mehrere Millionen Euro betrogen worden. Gegen die Firmen ermitteln jetzt Staatsanwaltschaften in Norwegen, Schweden und Finnland. Der Verdacht: Sie sollen an der gemeinsamen nordischen Strombörse „Nordpool“ die Preise nach oben manipuliert haben. Börsenaufsicht und die Ermittlungsbehörden vermuten, dass vorhandene Stromangebote dem Spotmarkt bewusst erst verspätet gemeldet wurden.

Über die in Oslo angesiedelte Strombörse „Nordpool“ wird etwa ein Drittel des in Skandinavien verbrauchten Stroms über längerfristigen Optionshandel gehandelt. Rund 5 Prozent werden im kurzfristigen „Spotmarkt“ zu täglich wechselnden Spotpreisen angeboten. Dieser Markt steht nun unter Betrugsverdacht. Hier wird jeweils zwischen 13 und 14 Uhr nach Angebot und Nachfrage ein Kilowattstundenpreis festgelegt. Für die Stromproduzenten rechnet es sich, ihren Überschussstrom erst nach diesem Zeitpunkt zu melden, da dann aufgrund des vermeintlich knapperen Angebots bereits ein höherer Handelspreis festgelegt wurde. Dieses Tricksen ist nach den Regeln der Strombörse illegal.

Zur Osterzeit sollen auf diese Weise Angebot und Preis manipuliert worden sein. Hans Randen, Chef der Marktüberwachung bei „Nordpool“: „Wir haben von allen Firmen, die an diesen Tagen an der Börse aktiv waren, Unterlagen angefordert.“ Die Firmen sollen nachweisen, warum sie plötzlich deutlich mehr Strom zur Verfügung hatten als angegeben. Denn der einzig denkbare Grund dafür, dass im Laufe weniger Minuten plötzlich auffallend mehr Strom produziert und angeboten werden kann, sind etwa überaschend schnell abgeschlossene Reparaturarbeiten. Das aber müsste auch noch regelmäßig an mehreren Tagen hintereinander geschehen sein. Ein solcher Umstand erscheint allerdings von vorneherein unwahrscheinlich. Die betroffenen Firmen müssen ihn jetzt haarklein nachweisen, wollen sie sich vom Betrugsvorwurf entlasten.

Das Vertrauen in die Marktregulierungsfunktion der Strombörse war schon bislang nie besonders hoch. Teilweise stehen sich die gleichen Firmen als Anbieter und Nachfrager gegenüber. Preismanipulationen zu Lasten der Endverbraucher sind einfach, denn der Käufer ist nur Zwischenhändler und gibt hohe Preise einfach an seine KundInnen weiter.

„Ich bin zutiefst bekümmert“, beteuert Monica Ulfhielm, Chefin der Branchenorganisation „Svensk Energi“ („Schwedische Energie“): „Wenn die Vorwürfe stimmen, ist das für das Vertrauen in den freien Strommarkt ein schwerer Schlag.“ Was sie am meisten befürchtet, ist die Forderung nach erneuter Regulierung des Strommarkts.

Die PolitikerInnen sind bereits aufgewacht. Schwedens Verbraucherministerin Britta Lejon erklärte, man habe „allen Anlass zu schärfster Kritik“ . Sie wies darauf hin, dass der Strommarkt schon jetzt ausgesprochen schlecht und zum Nachteil der KonsumentInnen funktioniere. Stimmen die jetzigen Vorwürfe, so wären die Preise zu Lasten der VerbraucherInnen um etwa 10 Prozent nach oben manipuliert worden. Die Konzerne hätte damit pro Tag fast eine Million Euro mehr eingenommen. Und „Nordpool“-Informationschef Hartvig Munthe-Kaas will „nicht ausschließen, dass auch zu anderen Gelegenheiten“ entsprechend manipuliert worden sein könnte.

Die Stromwirtschaft steht auch an anderen Stellen unter Druck. Erst vor wenigen Tagen hat die schwedische Wettbewerbsbehörde gegen mehr als die Hälfte aller Stromnetzgesellschaften Verfahren wegen unzulässiger Preiserhöhungen eingeleitet. Zwischen Herbst 1998 und Herbst 2001 ist nach Meinung der Behörde in 134 von 260 Netzgebieten der Preis für die Durchleitung von Strom „ohne sachlichen Grund“ erhöht worden. Und dies, obwohl laut Statistik der Energieaufsichtsbehörde die faktischen Kosten für den Betrieb der Netze in dem Zeitraum um 2,6 Prozent gesunken waren. Die Konkurrenzbehörde fordert die Firmen nun auf, die ungerechtfertigt festgesetzten Gebühren an die EndverbraucherInnen zurückzuerstatten. In fast allen Fällen wollen die Firmen sich aber vor Gericht wehren.

Die Wettbewerbsaufsicht kann bei den Netzgesellschaften nur die Preiserhöhungen überprüfen. Erst zwei Jahre nach Liberalisierung des Strommarkts war in Schweden 1998 eine solche beschränkte Überwachungsmöglichkeit nachgebessert worden, nachdem deutlich geworden war, dass die Netzfirmen ihre Monopolstellung massiv zu Preistreibereien ausgenutzt hatten. REINHARD WOLFF

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