: Vergnügte Zeiten klingen gut
Dandyeskes Bühnengebaren und kleine Junge-trifft-Mädchen-Geschichten: Hamburgs ganz besondere Soulkapelle „Bazooka Cain“ beendet im Schlachthof ihre Tournee
In der Hitparade der zehn peinlichsten Kopulationslieder könnte „Fürst-Pückler-Art“ von Bazooka Cain einen der vorderen Plätze belegen: „Manchmal weich, manchmal hart / Aber nie ohne Stil / Wer kriegt denn schon genug / Von diesem schönen Spiel / Mal brutal, mal ganz zart / Eben Fürst-Pückler-Art / In der Freiluftsaison / rappelt‘s im Karton“. Oder finden Sie so etwas nicht peinlich? Nein? Dann treten Sie ein, in die schaurig-schöne Welt einer ganz besonderen Hamburger Soulkapelle.
In Hamburg und Umgebung sind sie ja ohnehin bekannt wie die sprichwörtlichen bunten Hunde, mit dem neuen, beim Wiesbadener Apricot-Label erschienenen Album Here Come The Days Of könnte daraus noch ein wenig mehr werden. Denn alle sind begeistert: ob Hessischer Rundfunk oder Spex, sogar der Playboy vergab drei (von vier) Bunnies. Und die Petra lobt die „kokette Porno-Orgel“ (!) und – ausgerechnet – den „entspannten, deutschsprachigen Herrengesang“.
Das ist nicht schlimm. Und so lange Xavier Naidoo, Edo Zanki und Co. nur ihre Klappe halten, wenn über Soulmusik in (beziehungsweise aus) Deutschland gesprochen wird, so lange freuen wir uns an den vertanen Tagen mit Bazooka Cain. Ausnahmslos Sommertage übrigens – oder Herbsttage, die so tun, als wären sie Sommertage. Sixties-Beat, Chansonartiges, Bossanova, Soulballaden, sinfonischer Orchesterswing: Bei Bazooka Cain rockt es definitiv überhaupt nicht. Stattdessen wird Pop groß geschrieben, ein Pop, den man auch Unterhaltungskunst nennen darf – oder süßes Nichtstun.
Denn tatsächlich erzählen die Geschichten der 1989 gegründeten Band um Sänger und Gitarrist Marcel Vega beinahe nichts, zumindest nichts Neues, sind kleine, charmante Junge-trifft-Mädchen-Lieder, die ihren Ort meistens auf einer Parkbank oder gleich am Strand finden. „Mensch, müssen die Zeit haben!“, denkt der Hörer vielleicht – und mag das Ganze um so mehr.
Wer darüber motzen will, der hat‘s andererseits auch gar nicht so schwer: „Retro-Gefühlsduselei im Pralinenkästchen“ könnten Rock-Hedonisten die Musik von Bazooka Cain schimpfen. „Charmeure alter Schule“ könnten junge Punks das dandyeske Bühnengebaren belächeln. Von den Freizeithemden der Combo ganz zu schweigen. Doch jetzt, kurz vor Wintereinbruch, braucht man so etwas ja manchmal: den „Frühling im Herbst“ – so heißt eines der schönsten Stücke des Albums. Und diesen – gefühlten – Frühling kann man zu jeder Jahreszeit wunderbar nebenbei hören. Natürlich aber auch live, zum Abschluss der großen Deutschlandtour jetzt auch im Heimathafen Hamburg. Vergnügte Zeiten klingen gut, besagte Rocker gehen aber besser woanders hin. Marc Peschke
mit Erlend Öye (Kings of Convenience) and the full effect: Sonntag, 20 Uhr, Schlachthof
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen