: Eine knappe Frist für den Irak
Die USA und Großbritannien verschärfen den ursprünglichen Resolutionsentwurf für den UNO-Sicherheitsrat. Danach hat Saddam Hussein sieben Tage Zeit, seine „Schuld“ einzugestehen. Russland, Frankreich und China sind dagegen
aus Genf ANDREAS ZUMACH
Die USA und Großbritannien stoßen mit ihrem Entwurf für eine neue Irak-Resolution des UNO-Sicherheitsrates weiterhin auf Ablehnung bei den anderen drei ständigen Ratsmitgliedern Russland, Frankreich und China. Diplomaten Deutschlands und anderer EU-Staaten bezeichneten den Entwurf als „Kriegserklärung“.
Der Entwurf enthält erheblich schärfere Forderungen an Bagdad als bisherige Irakresolutionen des Sicherheitsrates. Diese sollen nach Darstellung von US-Diplomaten durch die neue Resolution praktisch obsolet werden. Die weiter reichenden, ultmativ formulierten Forderungen aus Washington und London könnten zu einem vorzeitigen Abbruch der „technischen“ Gespräche zur Vorbereitung neuer Rüstungsinspektionen führen, zu denen der Chef der UNO-Waffenkontrollkommission (Unmovic), Hans Blix, heute in Wien mit irakischen Regierungsvertretern zusammentrifft.
Die ablehnenden Reaktionen Frankreichs und Russlands erfolgten, nachdem US-Vizeaußenminister Marc Grossmann und der politische Direktor des britischen Außenministeriums, Peter Rickets, am Freitag und Samstag in Paris und Moskau um Zustimmung zu dem Resolutionsentwurf geworben hatten. Frankreich lehnt die von Washington und London angestrebte Drohung mit militärischen Maßnahmen weiterhin ab, erklärte ein Sprecher von Präsident Jacques Chirac.
Der russische Außenminister Igor Iwanow betonte, seine Regierung halte eine neue UN-Resolution derzeit nicht für erforderlich. Vorrang habe eine „rasche Rückkehr der UN-Waffeninspekteure in den Irak auf der Basis bestehender Resolutionen des Rates“. Nur internationale Inspekteure könnten „eine Antwort geben auf die Frage, ob Irak Massenvernichtungswaffen hat“, unterstrich Iwanow. Ähnlich hatte sich Chinas Premierminister Zhu Ronghi am Freitag im französischen Fernsehen geäußert.
Hingegen beginnt der dreieinhalbseitige amerikanisch-britische Resolutionsentwurf mit der – nicht weiter belegten – Feststellung, Irak sei eines „materiellen Bruchs“ früherer Resolutionen „schuldig“. Die Feststellung des „materiellen Bruchs“ von Resolutionen hat der Rat bislang immer nur getroffen, wenn ihm bereits eindeutige Beweise vorlagen, die dann in einer neuen Resolution auch klar benannt werden konnten.
Nach dem amerikanisch-britischen Resolutionsentwurf erhält die irakische Regierung eine Frist von sieben Tagen, ihre „Schuld“ einzugestehen, in dem sie die neue Resolution offiziell anerkennt und all ihre verbotenen Rüstungsprogramme offen legt. Innerhalb von weiteren 23 Tagen müssen alle rüstungsrelevanten Dokumente dem Sicherheitsrat übergeben und die rüstungsrelevanten Anlagen für die Inspekteure der Unmovic geöffnet werden.
Diese knappe Fristsetzung ist eine Verschärfung gegenüber der bislang gültigen Resolution 1284, mit der der Rat 1999 die Unmovic etabliert hatte. Ausdrücklich außer Kraft gesetzt wird in dem Resolutionsentwurf die Resolution 1154 vom Frühjahr 1998. Darin hatte der Rat angeordnet, dass die acht Präsidentenpaläste Saddam Husseins von den Inspekteuren der damaligen Unscom nur nach vorheriger Ankündigung und in Begleitung von Diplomaten kontrolliert werden durften. Nach dem britisch-amerikanischen Entwurf sollen die Präsidentenpaläste von der Unmovic künftig wie alle anderen Anlagen behandelt werden.
Über frühere Resolutionen hinaus gehen auch zwei weitere Forderungen aus Washington und London: die Inspekteure der Unmovic sollen eine militärische Schutztruppe erhalten; Vertreter der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates sollen die Unmovic jederzeit begleiten, die Inspektion bestimmter Anlagen anordnen und die Inspektionsberichte unmittelbar einsehen können.
Der Resolutionsentwurf erhält außerdem die Ermächtigung zu militärischen Maßnahmen für den Fall, dass Bagdad die Resolution nicht innerhalb der gesetzten Sieben-Tage-Frist aktzeptiert oder aber zu einem späteren Zeitpunkt gegen eine ihrer Bestimmungen verstößt. Die Entscheidung hierüber bliebe dann der Bush-Administration und anderen Regierungen überlassen. Eine erneute Befassung durch den Sicherheitsrat ist nicht vorgesehen.
„Dieser Resolutionsentwurf ist eine Kriegserklärung, die USA haben nicht wirklich das Interesse an einer Wiederaufnahme der Inspektionen“, kritisierte ein hochrangiger Diplomat eines EU-Landes.
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