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berliner szenen Gute alte Goltzstraße

Spaghetti beim Falafel

„Ich bin dankbar, dass ich einen Staffelmietvertrag habe“, sagt ein langhaariger junger Mann vorm Falafelladen in der Goltzstraße. „Dieses Jahr haben sie die Erhöhung sogar ausgesetzt. Und in Münster war es sowieso viel teurer.“ „Wie viel Quadrat hast du denn?“, fragt eine grün im Haar eingefärbte Frau am Nebentisch. „Vierzig.“ Wir lachen. „Mit Heizung“. „Und wo?“ „Parterre im Hof“, sagt er. Jetzt ist er endgültig der Watschenmann. Er hätte auch CDU gewählt, wenn Stoiber nicht gewesen wäre, meint er. Das hören die Grünhaarige und ihre Freundin zum Glück nicht. Der Typ ist mir sympathisch: „Ich hab keine Kohle, geh aber jeden Tag essen.“

„Mache ich auch“, sage ich. Er isst schon seit Wochen die Spaghetti Bolognese beim Falafel, „die braten das Hackfleisch hier noch richtig an.“ Zu Hause geht das gar nicht mehr, haben ja alle Plastikpfannen. Ob er den Frauen nicht Klavierunterrricht geben solle? Er sei Musiker. „Was hörst du so“, fragt die Grüne. „Mozart.“ „Kleine Nachtmusik“?, fragt sie. „Mozart ist doch Kitsch“, sage ich. Außerdem würde ich nie einen Staffelvertrag akzeptieren, 310 Euro für 40 qm in Schöneberg. Wucher! Der Mann sieht nicht unglücklich oder irre aus.

Aber er habe den Überfall von letztens noch nicht verdaut. Leute hätten ihm direkt vor der Tür 2.500 Euro abgenommen. „Das war bestimmt der Vermieter“, scherze ich. Und an der Börse hätte er viel mehr verloren – an Unbekannte! Dann sei ihm einmal LSD in den Tee gemischt worden, sagt er. Die Typen, die das gewesen seien, hätten ihm die EC-Karte abgenommen und ihm vorher beim Bierholen die Geheimnummer abgeschaut. „Ruf du mal auf Trip bei der Sperrstelle für Kreditkarten an, der Sprachcomputer versteht dich nicht.“

ANDREAS BECKER

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