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Tore in die Wunden

Handball: Flensburg wirft Kiel mit einem 30:24 ans Tabellenende und will weiter zeigen, dass man dieses Jahr stärker als der ewige Rivale ist

von MATTHIAS ANBUHL und OKE GÖTTLICH

Zvonimir Serdarusic ist ein mürrischer Mann. Geht es um seine Mannschaft, verliert der Trainer des THW Kiel selten viele Worte. Zurzeit aber hat es ihm regelrecht die Sprache verschlagen – so schlecht spielt sein Team.

Nach dem 24:30 bei der SG Flensburg-Handewitt ist der Deutsche Meister mit 2:8 Punkten Tabellenletzter der Handball-Bundesliga. Nach fünf Spielen wartet Kiel weiter auf den ersten Sieg. „Im Moment sind wir nicht in der Lage, mehr zu bieten“, sagt Serdarusic angesichts der schwerwiegenden Verletzungssorgen mit zahlreichen Ausfällen in seinem Team. Und Kiels Manager Uwe Schwenker ergänzt: „Wir müssen damit rechnen, auch nach sieben Spielen noch im Tabellenkeller zu stehen.“ Eine kleine Revolution, hört man sich den kleinlauten Schwenker an: „Wir müssen anerkennen, dass wir in diesem Jahr wohl kaum um die Meisterschaft mitspielen können“, gibt der erfolgsverwöhnte Manager zu.

Gerne würde Kiel daher den 24-jährigen Markus Ahlm vom schwedischen Erstligisten Ystad IF vorzeitig verpflichten. Ahlm hat zwar bereits einen Vorvertrag bei den Kielern unterschrieben, sein Klub gibt den talentierten Kreisläufer aber erst in der kommenden Saison frei. So muss sich der THW Kiel mit dem verbliebenen Personal begnügen.

Bei der aktuellen Nummer 1 im Norden keimen dagegen nach dem Sieg im 38. Prestige-Duell Meisterträume und zukunftsweisende Personalentscheidungen. Der dänische Linksaußen der SG Flensburg/Handewitt, Lars Christiansen, beendete endgültig die Spekulationen um seine Person. „Ich fühle mich sehr wohl in Flensburg und möchte mit dieser Mannschaft Meister werden. Daher verlängere ich meinen Vertrag um drei Jahre und will auch im zehnten Jahr hier spielen“, sagte Christiansen. Flensburgs Geschäftsführer Thorsten Storm, der vor der Saison als Mitarbeiter von Uwe Schwenker vom THW Kiel an die Förde wechselte, war nach dem Vertragspoker erleichtert: „Er soll der Eckpfeiler der neuen Mannschaft werden.“

Ein Team, dass nach Vorstellungen des jungen Geschäftsführers noch mehr „zur beliebtesten Mannschaft Dänemarks“ ausgebaut werden soll. Angesichts der bescheideneren finanziellen Mittel (Etat: 3 Millionen Euro) gegenüber den Kielern (4,5 Millionen Euro) will Storm den „angeblichen Standortnachteil“ der Grenzstadt zum nördlichen Nachbarn Dänemark in einen „Standortvorteil“ verwandeln. Einige Kooperation in der Nachwuchsarbeit und mit dänischen Sponsoren sind ebenso in Planung, wie Gespräche mit dänischen Fernsehstationen. Der nach Storm „letzte Künstler und beste Linksaußen der Liga“ Lars Christiansen spielt als Integrationsfigur für viele Dänen eine wichtige Rolle. Um ihn herum soll eine homogene Truppe aufgebaut werden, die „Titel sammeln soll“, wie Storm hofft.

Diese Hoffnungen hat der THW Kiel nach dem schwachen Saisonstart bestenfalls noch hinsichtlich der Champions League. Als Vorbild dient der SC Magdeburg, der vor einem halben Jahr diesen Pokal gewann, sich in der Bundesliga aber schonte und nur den sechsten Platz belegte. Dem THW fehlt diese Trophäe noch in seiner beeindruckenden Titelsammlung. Aber selbst Zvonimir Serdarusic traut seiner Mannschaft den Wurf kaum zu: „Mit diesem Team spielen wir nicht in der europäischen Spitze mit.“

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