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■ taz-Leser meinen: Die Abschaffung des Ehegattensplittings ist familienfeindlichKein Steuerschlupfloch

betr.: „Schönes, großes Steuerschlupfloch“, Kommentar von Heide Oestreich, „Neue Chance für das junge Glück“ (Brennpunkt: Rot-grüne Familienpolitik), taz vom 4. 10. 02

Ganztagskinderbetreuung soll ausgebaut werden, gut, das muss bezahlt werden, auch klar. Wenn das über die Abschaffung des Ehegattensplittings finanziert werden soll, dann finanzieren die etwas besser gestellten Familien die Kinderbetreuung der schlechter gestellten, diejenigen, die ihre Kinder zu Hause betreuen, zahlen für diejenigen, deren Kinder im Hort betreut werden, gleich mit.

Wieso soll diese Aufgabe (staatliche Kinderbetreuung) aber überhaupt von Familien bezahlt werden und nicht von der Allgemeinheit oder den besonders Vermögenden oder den Erben? Viele Paare entscheiden sich so, dass ein Elternteil zu Hause bleibt oder Teilzeit arbeitet, wenn Kinder da sind. Das werden auch noch viele sein, wenn das staatliche Betreuungsangebot besser ist. Dass das automatisch frustrierte Ehefrauen erzeugt, die jetzt qua Steuerrecht vor dem verhängnisvollen Fehler bewahrt werden müssen, ist ein dummes Klischee, das von Frau Oestreich bedient wird; auf den pädagogischen Gestus, der dahintersteckt, können die meisten wohl verzichten.

[…] Das Ehegattensplitting, soweit es Paaren mit Kindern zugute kommt, ist kein Steuerschlupfloch, sondern trägt der Tatsache Rechnung, dass Familien einen wichtigen Beitrag für die Allgemeinheit leisten und diesen zum großen Teil aus der eigenen Tasche finanzieren. Das Steuersplitting sollte nicht abgeschafft, sondern auch unverheirateten Paaren mit Kindern eingeräumt werden.

Solange das Kindergeld weit davon entfernt ist, die realen Kosten für die Kindererziehung abzudecken, ist die Abschaffung des Ehegattensplittings für Paare mit Kindern nur eine weitere unsoziale, familien- und kinderfeindliche Maßnahme. Insbesondere wenn man bedenkt, welche Steuererhöhungen damit vermieden werden sollen: Okosteuer, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Tabaksteuer. Sollte es tatschlich der ökologischen und sozialen Erneuerung dienlich sein, die finanziellen Interessen der Reichen, der Erben, der Raucher und Autofahrer vorrangig vor denen der Familien zu schützen? ROLAND STARK, Eltville

Wenn Frau Oberingenieurin nach drei Erziehungsjahren für ihren Halbtagsjob unglaublich hoch besteuert wird, ist das ihre freiwillige Entscheidung. Steuerklasse IV gewählt, und der angeblich frauenfeindliche Spuk ist vorbei.

Dass sie es oft nicht tut, hat wirtschaftliche Gründe. Es schmälert zwar ihr persönliches Einkommen, erhöht aber gleichzeitig das Familieneinkommen. Und dies wird in den allermeisten Fällen von den Frauen verwaltet. Das Ehegattensplitting ist also keine einseitige männliche Steuerbegünstigung, wie es überhaupt keine generelle Begünstigung für Ehen schlechthin ist. Es begünstigt nachweisbar nur die Ehen, in denen ein Partner deutlich weniger verdient.

Allerdings sind diese Zusammenhänge für Mann, Frau und Politiker gleichermaßen schwer nachvollziehbar, sodass Märchen und Mythen in diesem Bereich an der Tagesordnung sind.

HANS-DIETER ILLING, Darmstadt

Einschränkung des Ehegattensplittings macht nur Sinn, wenn die Steuereinnahmen direkt ohne Abzug für die Aufstockung des Kindergeldes verwendet werden. Die geplante Verwendung im Bildungs- und Erziehungssektor ist nichts anderes als ein gigantisches Arbeitsbeschaffungsprogramm für die grüne Klientel in diesem Bereich. HERBERT SCHNEIDER, München

Es ist nicht ganz richtig, wie Frau Oestreich meint, dass das Splitting zu Vorteilen führt; es ist im Grunde genommen die Steuerprogression. Gäbe es keine Progression, wäre das Splitting uninteressant.

Deshalb bewirkt das Splitting auch keine Daheimbleibprämie. Zutreffender ist die allgemeinere Formulierung: Die Progression bewirkt eine Weniger-arbeiten-Prämie.

Wer weniger arbeitet hat den relativen Vorteil, dass sein Steuersatz stärker sinkt als das Einkommen. Ein Single, der sich entschließt, weniger zu arbeiten und damit weniger zu verdienen, hat im Prinzip denselben Vorteil wie Ehepaare, die ihre gemeinsame Arbeitszeit reduzieren. Ehepaare gegenüber Singles schlechter zu stellen, dürfte nicht machbar sein.

Die Kernfrage ist, und das hat Christian Rath wohl richtig erkannt: Sind Ehepaare „eine Person“, das heißt bilden sie eine Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft? Diese Frage kann man bejahen oder verneinen; Einkommensgrenzen sind aber sachfremd. Paaren, die sich im Güterstand der Zugewinn- oder der Gütergemeinschaft sehr eng aneinander binden, wird man das wohl zugestehen müssen.

Wer dagegen als Güterstand die Gütertrennung wählt, bringt damit gerade zum Ausdruck, dass er keine Erwerbs- und Wirtschaftsgemeinschaft bilden möchte. Solchen Pärchen kann man das Splitting versagen. TORSTEN ERMEL, Bielefeld

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