Der Herbst ist krank

Braune, krisselige Blätter an den Bäumen sind Zeichen zahlreicher Pilzinfektionen, die uns der nasse Frühling bescherte. Experten glauben aber, dass die meisten Bäume überleben werden

Eine Pilzspore braucht zehn nasse Stunden, um ein Blatt zu infizieren

von KAIJA KUTTER

Melancholie ist in diesen Herbsttagen fehl am Platz. Wehmütige Gedanken wie „Schon wieder werden die Blätter gelb, das Jahr ist bald zu Ende und ich werde älter, schnief“ sollten wir uns verkneifen. Stattdessen sollten wir hoffen, dass wir schnell noch ein Jahr älter werden und wieder Herbste erleben, wie wir sie von früher kennen. Oktobermonate, in denen die Blätterfarben Rot, Grün, Orange und Gelb dominieren und im Sonnenschein strahlen.

Manchen fällt es gar nicht auf. Doch wer sich einmal mit dem Erscheinungsbild der fünf bis sechs verschiedenen Blattkrankheiten vertraut gemacht hat, die gerade unsere Bäume traktieren (www.pflanzenschutzamt-hamburg.de), sieht beim Blick in die Kronen nur noch braune Flecke.

Besonders krass wirkt die Miniermotte an den Kastanien, die stadtweit ein Trauerbild abgeben. Das Kirschenlaub fiel schon im Juli, als es die „Sprühfleckenkrankheit“ befiel. An Apfelbäumen dominieren Schorf und Regenflecken, an Birnen der Gitterrost, an Quitte und Weißdorn die „Blattbräune“, an Rosen der fleckige „echte Mehltau“. Und haushohe Ahornbäume kräuseln ihr Blattkleid, weil der weiße Mehltau sie traktiert.

Der hohe Krankenstand lässt Gartenpfleger mit der Laubharke in der Hand verzweifeln. Denn das Pflanzenschutzamt empfiehlt auf seiner Homepage bei fast jeder Krankheit, die Blätter zu entfernen. Andererseits braucht die Natur das Laub, um Nährstoffe zu bilden.

„Es ist eine echte Krux“, sagt Gerhard Doobe vom Amt für Stadtgrün (www.stadtgruen.hamburg.de). „Es ist ökologisch sinnvoll, das Laub verrotten zu lassen.“ Leben doch unendlich viele Kleintiere in einer langen Nahrungskette davon. Andererseits sei beispielsweise das Entfernen des von der Miniermotte befallenen Laubs „die einzige Chance, die Rosskastanien zu erhalten“.

Gregor Hilfert vom Beratungstelefondienst des Pflanzenschutzamts (42816-590) rät, baumweise zu differenzieren. Bei befallenen Kastanien und Kirschbäumen solle man das Laub entfernen, beim „Birnengitterrost“ reiche es aus, in der Nähe wachsende Wacholder zu fällen, in denen der Erreger überwintert. Der weiße Mehltau indes sei ein Erreger, der „schonend mit seine Wirtspflanzen umgeht“. Hier müsse man nur bei starkem Befall die Blätter entfernen.

„Wir haben in diesem Jahr verschiedene Pilze auf allen möglichen Pflanzen“, sagt der Gartenbauingenieur und erklärt dies mit dem ungewöhnlich feuchten Frühling des Jahres: „Pilzsporen können nur austreiben, wenn die Blätter feucht sind.“ Ein Schorfpilz brauche beispielsweise zehn bis elf Stunden bei 15 Grad. Hilfert: „Wenn das Blatt immer wieder abtrocknet, bleibt es gesund.“ Im Frühjahr sei zudem die Wachsschicht der Blätter, die vor Verdunstung und Krankheiten schützt, noch ganz dünn, so dass Erkrankungen in diesem Stadium übertragen werden, die man erst viel später sieht und die mit hektischer Gartenhygiene auch nicht hätten verhindert werden können.

Hilfert ist zuversichtlich, dass die meisten Bäume diesen Herbst überstehen, „wenn es im nächsten Frühjahr trockener wird, sind die Pilzsporen nicht so ein Problem“. Auch schädigen die Larven der Miniermotte, die aus Mazedonien kam, in Bayern schon seit Jahren die Kastanien. Hilfert: „Es sieht nicht schön aus. Der Baumzuwachs ist weniger. Aber dass die Bäume reihenweise eingehen, ist nicht zu beobachten.“ Aber was ist, wenn der nächste Frühling wieder verregnet und all die Sporen im liegen gelassenen Bodenlaub lauern?

Wer im Zweifel lieber mehr als weniger wegharkt und zugleich ökologisch korrekt handeln will, kann laut Hilfert auf die klassischen Laubsäcke der Stadtreinigung zurückgreifen, die in den städtischen Großkompostieranlagen landen. „Bei professioneller Kompostierung entstehen so hohe Temperaturen, dass Erreger abgetötet werden.“

Gerhard Doobe dagegen empfiehlt, mit einem Tabu zu brechen und die kranken Blätter mit dem Hausmüll zu entsorgen. Dies sei mit der Stadtreinigung abgesprochen, die sich bereits vor zwei Wochen bereit erklärte, das infizierte Grün in diesem Jahr ausnahmsweise in ihren Anlagen zu verbrennen.