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Anime mit Anspielung

Um ein Manga zu verstehen, braucht es einige Übung. Kennzeichnend für die japanischen Comics und Animationsfilme sind eine sprunghafte Handlung und ausgefeilte, bisweilen überfrachtete Bilder. Und so nimmt man eher staunend an der Entfaltung von surrealen Bildwelten teil, in denen weibliche Figuren nicht selten sexy Körper und Augen haben, die dem Kindchenschema Genüge tun, während männliche Protagonisten wie der muskelbepackte Barbie-Ben aussehen. Rollenklischees sind dergestalt nicht ausgeschlossen.

Umso interessanter, dass Kultautor Kunihiko Ikuhara mit Revolutionary Girl Utena (2000) einen Animationsfilm vorlegte, der einen lesbischen Subtext hat, weshalb er heute auf den Lesbisch Schwulen Filmtagen zu sehen ist. Wer allerdings glaubt, dort einen positiven Bezug auf lesbisches Begehren und Sexualität vorzufinden, wird enttäuscht sein.

Utena, eine Kämpferin mit rosa Haaren und Vorliebe für Männerkleidung, wird vom Schicksal zur Mitkombattantin um die Hand der Rosenbraut Anthy bestimmt. Wer sie gewinnt, bekommt ein ewiges Leben – und heiße Nächte mit der schönen Frau. Von Letzterem ist Utena zunächst nicht begeistert, sie ist peinlich berührt von Anthys Angeboten und weist sie ab. Nur langsam lässt sie sich auf die Vorstellung ein, Anthy – auch körperlich – nahe zu sein und beim Showdown kommt es dann zum Kuss bei gleichzeitigem Nackt-auf-dem-Motorrad-Sein. Ob es angemessen ist, diese Zurschaustellung von Sex zwischen Frauen als lesbisch zu betiteln, ist fragwürdig. Eher erinnert es an die nächtlichen Sexdisplays des Servers GMX, der sicherlich mehr Männer als Frauen ansprechen will.

Dass Revolutionary Girl Utena folglich nur bedingt das Coming-out-Film des Manga ist, hindert den Film nicht daran, beeindruckend schöne Bildwelten zu entwickeln. Ikuhara ist ein Meister der Kunst und lässt atemberaubende architektonische Landschaften und Naturbilder entstehen, die sich zu einer neuen, fantastischen Welt verbinden. Wäre lesbisches Begehren dort eine ernst zu nehmende Alternative, wäre der Film wirklich revolutionär. So bliebt er girlielike, obwohl das Riot auf der Hand liegt.

Doro Wiese

heute, 22.30 Uhr, Zeise

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