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Ein Schiff namens „Karola“

Einmal im Jahr treffen sich die Kapitäne einer großen Flotte und verbringen ein Wochenende im Freibad

An einem Leuchtturm steht ein Pärchen und blickt gebannt aufs Wasser: Waghalsig kreuzt ein Boot mehrfach den Kurs eines Frachtschiffes. „Kampf der Müll-Mafia“ und „Kein Giftmüll in unsere Meere“ steht auf Transparenten des Greenpeace-Bootes. Nur denkt der Schubschiff-Kapitän nicht daran, seinen Kurs zu ändern, die Boote krachen aufeinander. Und schlimmer: Die Schadstoffladung auf dem Frachter verrutscht und beginnt sofort zu brennen. Bunte Rauchwolken steigen auf. Kurz darauf sind Feuerwehrboote da und richten ihre Löschspritzen auf das Feuer.

Dann Applaus – am Beckenrand. Denn all das findet im Maßstab 1:25 und im Nichtschwimmerbecken des Kombibades Mariendorf statt. Die Schiffe messen etwa einen Meter. In einer Ecke schwimmt eine Hafenanlage im Kleinformat mit blinkendem Leuchtturm, und im Schwimmerbecken fahren U-Boote ihre Kurven. Männer, längst dem Spielzeugalter entwachsen, stehen am Rand und bedienen ihre Fernsteuerung.

„Wir haben überlegt, welche Modelle wir haben und wie sich das in eine Story verpacken lässt“, erklärt Hans-Joachim Flöting, Mitglied der „Interessengemeinschaft Schiffsmodellbau Berlin-Mahlow“. Die organisiert zum vierten Mal das „Internationale Schiffsmodelltreffen“. 100 Süßwasserkapitäne sind gekommen, 750 Menschen schauen zu.

Da die zwanzig Mitglieder der Interessengemeinschaft viele Feuerlöschboote haben, entstand die Idee, etwas mit einem Brand zu machen, erzählt Flöting die Geschichte des inszenierten Zusammenstoßes weiter. Und dann gab es auch noch das Schiff der Umweltschützer.

Das habe aber keine weitergehende Bedeutung, betont Hubert Weinberger, Erbauer des Greenpeace-Schiffes mit Namen „Karola“ und von Beruf Koch. Er sei „nicht unbedingt Fan“ der Regenbogenkämpfer, nur gab es gerade viele Protestaktionen auf hoher See, als er sein Boot umbaute. Zum Spaß hat er noch mehr auf Rumpf und Deck gemalt: etwa durchgestrichene U-Boote mit Abschussdaten. „Sticheleien gegen die U-Boot-Besitzer“, schmunzelt Weinberger. Der Ton hier ist rau-herzlich.

Als Militaristen wollen sich die Bauer von Modellen wie Rettungskreuzern, Fischkuttern und Containerschiffen trotz vieler militärischer U-Boot-Imitate keinesfalls verstanden wissen. „Bei uns geht es um das Bauen, das Fahren und den Spaß an der Sache. Auch das Interesse an der Technik und wie etwas originalgetreu umgesetzt werden kann“, sei wichtig, sagt Hobbykapitän Weinberger. In ungezählten Heimstunden wird gebastelt, oft anhand von Fotos und Zeichnungen.

Norbert Brüggen, Maschinenbauingenieur aus Mönchengladbach, bestätigt das. Der Mann mit dem Zopf aus langen rötlichen Haaren baut nicht nur militärische Vorbilder nach, sondern auch U-Boote in Fischform, etwa einen Delfin oder Orca-Wal. Seine Modelle wurden schon von Zoologen eingesetzt, um die Orientierung von Seehunden mittels ihrer Schnurrhaare zu erforschen. Das Boot schwamm in trübem Wasser voran, der Seehund versuchte den vermeintlichen Fisch zu fangen – und konnte sich nicht an dessen Geruch orientieren.

Wie Brüggen kommen viele der Freizeitkapitäne aus dem Ruhrgebiet oder Rheinland, die meisten sind dennoch aus Berlin. Und mit der Internationalität ist’s nicht weit her. Immerhin: Der Skipper mit dem Greenpeace-Boot stammt aus Österreich, lebt allerdings auch schon lange in Berlin. Als er sein Regenbogenschiff nach dem Manöver aus dem Wasser holt, öffnet der Himmel die Pforten. Viele flüchten sich unter die Unterstandzelte, die Sonne bleibt trotzdem draußen. Und da malt die Natur selbst einen Regenbogen – an den Himmel. JÜRGEN SCHULZ

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