: Linksdrehend auf Bestellung
TU Harburg koordiniert neues Innovationszentrum für Biokatalysatoren. Gentechnisch gewonnene Enzyme sollen Produktionsverfahren umweltfreundlicher machen. Wissenschaftssenator Dräger setzt auf „dritte Megatechnologie“
von GERNOT KNÖDLER
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat gestern im Rathaus eine neue Initiative zur Förderung der Biotechnologie in Deutschland gestartet. Dabei mischt die TU Harburg an zent- raler Stelle mit. Ihr Institut für Technische Mikrobiologie unter der Leitung von Professor Garabed Antranikian wird die acht zunächst geplanten Forschungsprojekte koordinieren. Ziel der Initiative ist es nach Angaben von Stefanie Heiden von der DBU, die Entwicklung vermarktungsfähiger Produkte aus wissenschaftlichen Erkenntnissen, kurz: die Innovation auf dem Feld der Biokatalysatoren zu beschleunigen.
Die DBU, nach eigenen Angaben eine der größten privaten Stiftungen Europas, soll „Vorhaben zum Schutz der Umwelt unter besonderer Berücksichtigung der mittelständischen Wirtschaft“ fördern, etwa indem sie durch finanzielle Unterstützung einen Teil des Risikos bei der Entwicklung neuer Produkte trägt. Biokatalysatoren sind für die Stiftung interessant, weil sie bei der Produktion Energie sparen und Abfall vermeiden könnnen.
Ein Beispiel: Wie Moleküle im menschlichen Körper wirken, hängt oft von ihren symmetrischen Eigenschaften ab, davon, ob sie – wie der sprichwörtliche Joghurt – linksdrehend oder rechtsdrehend sind. Beim Wirkstoff des fatalen Schlafmittels Contergan stellte sich im Nachhinein heraus, dass nur eine der beiden Varianten zu Missbildungen bei Ungeborenen führte, deren Mütter das Mittel einnahmen. Bei einer herkömmlichen chemischen Synthese von Medikamenten lassen sich links- oder rechtsdrehende Varianten nicht gezielt herstellen: Die Hälfte der Produktion ist Ausschuss. Mikroorganismen dagegen verstehen sich auf die Kunst der differenzierten Synthese.
Laufen die natürlichen biologischen Prozesse bei der Herstellung eines Wirkstoffs zu langsam, greifen die Firmen und Forscher zu gentechnischen Methoden. Weil sich Insulin aus Schweinelebern nicht in ausreichender Menge gewinnen ließ, wurde das entsprechende Gen in Bakterien verpflanzt, die den Stoff jetzt effektiver synthetisieren.
Die im Rahmen des InnovationsCentrums Biokatalyse (ICBio) gebündelten und geförderten Projekte sollen Verfahren entwickeln, mit denen Organismen und von Organismen produzierte Stoffe systematisch auf ihre Eignung als Biokatalysatoren untersucht werden können. Sie sollen die Umsetzung genetischer Information in vermarktungsfähige Produkte beschleunigen und die Herstellungsprozesse verbessern.
„Es geht um unserer Helfer, das sind die Bakterien und Enzyme“, fasst Antranikian zusammen. „Sie werden für uns etwas Tolles produzieren.“ Die hierbei verwendeten Verfahren würden streng nach dem Gentechnik-Gesetz angewandt. Dort seien sie der Stufe S1 „keine Gefahr für Mensch und Umwelt“ zuzuordnen, beruhigte Heiden.
An den Projekten des ICBio beteiligen sich 40 Universitätsinstitute und mittelständische Unternehmen. Für Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos) ist es damit ein „förderungswürdiges Schnittstellenprojekt“. Überdies gehörten die Lebenswissenschaften zu einem „der vielen Zukunftsfelder, die wir uns gesetzt haben“. Die TU Harburg hat bereits vor 15 Jahren zwei Arbeitsbereiche für Biotechnologie aufgebaut – für viele die „dritte Megatechnologie“. Seit dem vergangenen Wintersemester bietet die TU einen Studiengang Biotechnologie/Verfahrenstechnik an.
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