Erst segeln, dann zurückrudern

Schill verteidigt Entwurf zum Verfassungsschutzgesetz. Deutscher Presserat mahnt Informantenschutz an. Rechtsausschuss der Bürgerschaft hört heute Experten an

Nur der Innensenator gibt sich noch unbeirrt. Ronald Schill ist aus dem Urlaub zurückgekehrt und redet, als hätte es die gesamte Debatte um sein Verfassungsschutzgesetz nicht gegeben, während er vor der kroatischen Küste gesegelt hat. Hamburg sei „besonders verpflichtet, alle rechtlichen Möglichkeiten gegen den Terrorismus zu ergreifen“, begründet er seinen umstrittenen Gesetzentwurf. Dass dieser die Bürgerschaft unbeschadet übersteht, das glaubt jedoch selbst Schill nicht mehr. Er räumte die Notwendigkeit ein, „das Gesetz einvernehmlich auf den Weg zu bringen“. Und das ist im Senat nicht mehr möglich, seit die FDP sich am Freitagabend auf eine Ablehnung des Entwurfes in seiner jetzigen Form eingeschworen hat.

Der Entwurf wird derweil nicht nur auf Hamburger Ebene scharf kritisiert. Der Deutsche Presserat sieht „den Informantenschutz in Gefahr“, wenn auch Journalisten bei Recherchegeprächen ungehemmt belauscht werden können. Dieser Schutz dürfe „nicht zum Spielball für sicherheitspolitische Schnellschüsse werden“, sagte Presse- ratssprecher Kay E. Sattelmair. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes DJV, Rolf Lautenbach, stellte klar: „Es darf auch in Zukunft keine Wanzen gegen Journalisten geben.“

Heute wird der Rechtsausschuss der Bürgerschaft sich in Form einer Expertenanhörung mit dem Thema befassen. Dabei werden unter anderem Ex-Verfassungsschutzchef Eckart Wer- thebach (CDU) und der ehemalige FDP-Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig Stellung nehmen. Es wird erwartet, dass zumindest Schmidt-Jortzig seine rechtlichen Bedenken gegen den Entwurf deutlich machen wird, um die Linie der Hanse-FDP zu bestätigen.

Die Freidemokraten sind derweil weiter bemüht, nicht den Eindruck einer Senatskrise aufkommen zu lassen. Bereits am Wochenende hatte Fraktionschef Burkhardt Müller-Sönksen davon gesprochen, dass Schill lediglich die Schwelle für die Überwachung „etwas senken“ wolle.

Den Unterschied des hanseatischen Gesetzentwurfes zum Bundesgesetz redet er damit kleiner, als er ist. Zwar darf der Verfassungsschutz auch heute schon Ärzte, Anwälte oder Journalisten belauschen, wenn ein konkreter Tatverdacht vorliegt. Schill will aber auch das Abhören Unverdächtiger ermöglichen. Es soll bereits reichen, Kontakt zu haben zu jemandem, der bei den Ermittlern unter Verdacht steht.

Eine angekündigte Pressekonferenz von Innen-Staatsrat Walter Wellinghausen, auf der er den Gesetzentwurf verteidigen wollte, wurde gestern kurzerhand abgesagt. Gründe dafür nannte der Senat nicht. Das war aber auch nicht nötig. PETER AHRENS