: Misstrauen und Unruhe
betr.: „Aktion für Kuhn und Roth“ (zur Aufhebung der Trennung von Amt und Mandat bei den Grünen), taz vom 25. 10. 02
Beim Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen in Bremen scheiterte der Versuch, die Trennung von Amt und Mandat aufzuheben, an der fehlenden Zweidrittelmehrheit. Jetzt versuchen einflussreiche Kreise bei den Grünen die Basis vorzuschieben, um doch noch eine ihnen genehme Satzungsänderung zu erreichen. Also: So lange abstimmen, bis das gewollte Ergebnis erreicht ist.
Plötzlich sind die Sprecher Kuhn und Roth ihren Wählern bei der Bundestagswahl stärker verpflichtet als ihrer grünen Basis, die sie doch vor gar nicht langer Zeit erst zu Vorstandssprechern gewählt hat. Parteimitglieder wie Michael Vesper verschlimmern die Situation mit ihren tolpatschigen Versuchen, Lösungen vorzuschlagen, die satzungsmäßig gar nicht möglich sind. Es ist nicht vorgesehen und ohne Zweidrittelmehrheit damit unmöglich, Roth und Kuhn auch nur ausnahmesweise für zwei Jahre im Amt zu belassen, um währenddessen eine Urabstimmung durchzuführen. Abgesehen davon, dass satzungsmäßig nicht geregelt ist, ob bei satzungsändernden Anträgen an die Parteimitglieder die einfache oder auch eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist.
Da dieser Weg offenbar verbaut ist, kann es nur eine Lösung geben: Entweder die Partei und insbesondere die Führungsschicht akzeptiert das Ergebnis von Bremen und sucht neue Vorstandssprecher – das wäre zu empfehlen, weil die jetzige Vorgehensweise der Verspers und Co Misstrauen sät und für erhebliche Unruhe an der Basis sorgt. Oder die Partei sucht einen Kompromiss mit der starken Minderheit, indem eine Satzungsänderung akzeptiert wird, die eine (für jeden Kandidaten) einmalige, auf die Dauer einer Amtsperiode von zwei Jahren begrenzte Ausnahme dann zulässt, wenn die wählende Bundesversammlung dies den jeweiligen Kandidaten mit Zweidrittelmehrheit erlaubt. Damit bliebe die gegenwärtige Satzung in Kraft, die ablehnende Minderheit um Ströbele und andere hätte aber die Möglichkeit, ausnahmsweise und einmalig den auch von ihnen unterstützten Roth und Kuhn eine Kandidatur zu erlauben. MARKUS GROSS, Wegberg
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