: Der Karren rast in den Dreck
betr.: „Ein Prozent sind …“ (Herbstgutachten der Wirtschaftsinstitute), taz vom 23. 10. 02
Es ist kaum zu glauben, aber offensichtlich hat sich auch in den Köpfen der „Experten“ die Auffassung festgesetzt, dass „weniger Wachstum“ einen Rückgang der Produktion bedeutet!
Was ist von einer Wirtschaft zu halten, die zusammenbricht, wenn sie „nur“ den ständigen Verschleiß ersetzt? Die nur funktioniert, wenn heute mehr als gestern und morgen mehr als heute hergestellt wird? Da erklärt Katharina Koufen, dass ein Prozent vom heutigen Bruttoinlandsprodukt (BIP) 20 Milliarden Euro ist. Vor 40 Jahren war ein Prozent des BIP aber nur 1,6 Milliarden Euro! Und dementsprechend geringer war die damals als BIP erstellte Gütermenge. Ein Prozent Wachstum heute entspricht real etwa zehn Prozent in den 50er-Jahren! Ab welcher Gütermenge sind wir bereit, unser BIP als „ausgewachsen“ zu betrachten? Oder wollen wir auch die heutige Leistung noch einmal verdoppeln? Das würde bei einem zweiprozentigen Wachstum nämlich nach 36 Jahren der Fall sein. Und trotzdem würde dabei kaum ein Arbeitsplatz geschaffen, da die Produktivitätsquote über zwei Prozent liegt.
Mit Wachstum ist also weder eine „rote“ Politik zu machen, geschweige denn eine „grüne“. Wer das nicht begreift und endlich eine Wirtschaft ermöglicht, die ein Gleichgewicht der menschlichen Bedürfnisse zulässt statt sich alles einzuverleiben, der hätte sich nicht so danach drängen müssen, das Steuer für weitere vier Jahre in der Hand zu behalten – der Karren rast so oder so in den Dreck! VOLKER FREYSTEDT, Wörthsee
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