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„Zuerst nach den Menschen suchen“

Kein Zurück und keine Laptops: Der Musiker F. S. Blumm hat Berlin verlassen und ist mit seiner Familie auf einen Bauernhof in Italien umgezogen. Ein Gespräch über Inspiration und Regen, über Klänge und Ortswechsel – und seine neue Platte „Ankern“

Interview ULF LIPPITZ

taz: Die Musik auf Ihrem neuen Album „Ankern“ ist so entspannend, dass man sich kaum vorstellen kann, dass Sie in Ihrer Jugend die Nachbarn mit Chinakrachern terrorisiert haben. Ist Ihnen die Lust am Krach verloren gegangen?

F. S. Blumm: Ich habe früher Musik gemacht, die grob gesagt Punk war – ein Chaos an Klang und Geräuschen. Da habe ich meine Gitarre präpariert, verzerrt und mit Trommelstöcken anstatt mit Fingern gespielt. Krach bedeutet immer das Gegenteil vom reinen Ton, vom Belcanto. Beim Vorgänger „Mondkuchen“ war es so, dass Musik von Leuten produziert wurde, die in Klang und Geräusch gesucht haben und daraus die Sensation entsteht. Ich habe jetzt ein sehr starkes Bedürfnis, klare Sachen sagen zu wollen – die ihre Gültigkeit haben, so wie sie geschrieben oder gesagt werden und nicht in ihrer Produktionsart.

Kann man sagen, Ihr Ansatz hat mehr mit Kunst als mit Unterhaltung zu tun?

Es ist eine Forschung, auf jeden Fall. Es geht darum, Dinge zu suchen, wo man nicht weiß, was man findet oder entsteht. Aber Kunstmusik? Dieser Begriff ist eigentlich belegt. Ich habe dieselben Prinzipien wie früher in der Kunst, als ich noch gemalt habe, benutzt. Das heißt Teile zu finden und zu sehen, wie sie sich in der Zeit entwickeln. Dieser Abstand kann derselbe sein, wenn man ein Bild malt und ein paar Schritte zurücktritt.

Sie sind gerade von Berlin auf einen italienischen Hof gezogen. Hat Sie die Landflucht bei der Produktion des neuen Albums beeinflusst?

Das kann ich eigentlich nicht sagen. Fakt ist, dass alle Stücke auf der besagten Suche entstanden sind. Auf der Fahrt habe ich die Lieder auf der Gitarre komponiert und später in Berlin produziert. Insofern hat es zwangsläufig damit zu tun. Aber es ist kein Konzept. Ich kann mir vorstellen, dass der Eindruck aufkommt, weil meine Musik immer schon ein Schweifen in die Ferne beinhaltete. Man begibt sich an einen anderen Ort, ohne zu wissen, wo der akustisch ist. Ich bin gern an einem Ort, wo ich nicht weiß, wie die Gesetzmässigkeiten funktionieren.

Warum Italien? Ist das ein bildungsbürgerlicher Ausflug frei nach Goethe?

Um Gottes willen. Meine Familie und ich wollten erst einmal nur weg aus Berlin. Wir sind durch Frankreich und Spanien gereist, um etwas zu finden. Italien war zunächst nicht das Land meiner Träume. Ich war vorher nie dort. Irgendwann auf der Suche habe ich gemerkt, dass man aber zuerst nach Menschen und dann nach dem Ort suchen muss.

Wie sieht ein typischer Tag für Sie aus?

Erst einmal gar nicht typisch, weil ich vorher nie auf dem Land gewohnt habe. Ich genieße es sehr. Den großen Bogen der Jahreszeiten, den man hier mitbekommt, erlebt man in der Stadt gar nicht.

Sie arbeiten viel allein. Können Sie sich vorstellen, auf Laptop umzusatteln?

Nein. Ich habe gerade einen Freund mit Notebook hier gehabt. Wir haben den Ort, bevor wir die Zelte abbrechen, noch einmal akustisch eingefangen – den vielen Regen, die lauter werdenden Flüssen. Das haben wir dann bearbeitet. Ich fungierte da nur als Beisitzer. Für mich ist das sehr frustrierend. Ich bevorzuge das Anfassen der Instrumente. Ich möchte mit dem Ohr da drin sein und nicht mit dem Auge.

Wie ist der Unterschied zwischen der deutschen und italienischen Kulturlandschaft?

Das ist schwierig, weil ich noch nicht inspiriert wurde. Ganz wertfrei möchte ich sagen, dass es ein italienisches Phänomen ist, dass man gern die Dinge in Sprach- und Esskultur nicht variiert. Bevor man ein Gericht kocht, weiß man erst einmal welchen Namen das Gericht hat – und das wird auch ohne nach links und rechts zu schauen genauso immer wieder gekocht. Das ist auch mit der Musik so. Man hört hier gern italienisch-sprachige Musik und gern dasselbe immer wieder.

Können Sie sich da nicht vorstellen, nach Berlin zurückzukehren?

Nein. An einen Ort zurückzukehren, wo ich schon einmal gewohnt habe, konnte ich mir noch nie vorstellen.

F. S. Blumm: „Ankern“ (Staubgold/Efa)

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