„Trend zum Trash und Lust am Kitsch“

Am Ende der Hörspielwoche wird Freitag der Publikumspreis „Plopp“ an freie Produzenten vergeben. Antje Vowinckel, Plopp-Preisträgerin 2000, hat die Vorauswahl getroffen – und in eine akustische Umwelt nah am Leben gelauscht

taz: Frau Vowinckel, jede dritte Einsendung für den Plopp-Award kam aus Berlin. Ist Berlin eine besonders hörverliebte Stadt?

Antje Vowinckel: Der Wettbewerb ist hier natürlich bekannter. Andererseits hat Berlin einen Standortpluspunkt: Hier gibt es die meisten Autoren und Künstler. Vor allem ist Berlin mit seiner vielfältigen und avancierten Musikszene für Hörspielproduzenten interessant. Musik spielt ja eine große Rolle im Hörspiel.

Haben Sie bei der Vorauswahl Trends entdeckt?

Die Produzenten haben sich ziemlich eigenwillige Geschichten einfallen lassen. Die gängigen Genres wurden kaum bedient: wenig Krimis, wenig Liebesgeschichten. Klassische Bearbeitungen von literarischen Texten gab es aber auch. Witzigerweise von Marx oder Nietzsche. Nett war eine Collage, eine Straßenumfrage, die herausfinden wollte, was Plopp eigentlich ist und wie es klingt.

Wie klingt Plopp denn dieses Jahr? Gibt es neue Themen?

Die smarten, toughen, 30-jährigen Karrieretypen kommen kaum vor. Die Produktionen widmen sich eher Außenseiterfiguren wie Arbeitslosen und extremen Gefühlen wie Einsamkeit oder Angst. Grundsätzlich geht der Trend im Hörspiel – wie auch im Theater – hin zu Trash-Sounds und zur Lust am Dreck, am Kitsch.

Ist das bewusst Unperfekte ein Markenzeichen der freien Hörspielszene?

Unperfekt sind freie Hörspiele oft zwangsweise. Die Produzenten haben keine vergleichbar guten technischen Möglichkeiten wie Profis in ihren Studios. Oft wird dieser Sound aber wieder stilisiert, zum Trash-Sound.

Freie Hörspielproduktionen sind demnach innovativ?

Wenn man im professionellen Hörspielbetrieb steckt, ist man so sehr an perfekten Sound gewöhnt, dass man nicht mehr merkt, wie das normale Leben klingt. Freie Produzenten arbeiten häufig in anderen Berufen und bringen eine ganz andere akustische Umwelt ein. Wenn ein Zahnmedizinstudent von morgens bis abends Bohrer hört, dann ist das was anderes, als wenn ein Profi den ganzen Tag von Studio-Sound umgeben ist.

Was zeichet ein gutes Hörspiel Ihrer Meinung nach noch aus?

Ich finde es gut, wenn es eine eigenwillige Geschichte erzählt, wenn ein Autor viel Fantasie entwickelt. Toll ist, wenn die Produzenten musikalisch arbeiten, also Sprache und Musik eine Einheit bilden. Oft merkt man leider, dass der Text Jahre vorher existiert hat und nur noch ein bisschen Musik druntergelegt wurde.

Das Publikumsinteresse an Textvertonungen, an Hörbüchern, ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Profitiert auch die Hörspielszene von diesem Boom?

Das sind zwei verschiedene Dinge. Mich ärgert, dass es oft in einen Topf geschmissen wird. Hörbücher sind meistens Lesungen, bei denen ein prominenter Schauspieler aufgefordert wird, sein Stück zu lesen. Die Regie spielt, wenn überhaupt, eine geringe Rolle. Hörbuchverlage selbst verlegen selten Originalhörspiele – also genau das, was die Independent-Hörspielszene macht. Sie orientieren sich stark am Buchmarkt. Vielleicht profitiert der eine Bereich vom anderen ein bisschen, aber viele Zusammenhänge gibt es nicht. Trotzdem stiftet der Hörverlag München den Preis, das ist natürlich schön.

Am Freitag wird er vergeben. Haben Sie persönlich einen Favoriten?

Eine Zeit lang war ich ziemlich sicher, dass ein Stück gewinnen wird. Nachdem ich die anderen Stücke wieder öfter gehört habe, nicht mehr. Die Auswahl ist mir auch schwer gefallen. Am Schluss hatte ich ungefähr 30 Stücke, die alle so interessant waren, dass ich drei Abende hätte füllen können. INTERVIEW: SUSANNE LANG