: Fahrgastfeindliches System
betr.: Das neue Preissystem der Bahn
Ich finde das neue Preissystem absolut fahrgastfeindlich. Es macht den Eindruck, als ginge es bewusst darum, den Fahrgästen, die aufs Bahnfahren angewiesen sind oder sich aus umweltbewussten Gründen dafür entscheiden, das Reisen so unangenehm und teuer wie möglich zu machen – denn sie werden ja auf jeden Fall weiterfahren (das lässt sich dann als Akzeptanz verkaufen!). Ungewollt witzig ist übrigens, dass die Bahn damit wirbt, dass das Preissystem nun einfacher und verständlicher wird. Was war denn an dem Prinzip „die Bahncard bietet auf alle Züge 50 Prozent Ermäßigung“ unübersichtlich? Verworren wird es doch erst jetzt.
Besonders bezeichnend finde ich, dass ausnahmslos sämtliche ZugbegleiterInnen und Angestellte in den Reisezentren, mit denen ich in den letzten Tagen und Wochen gesprochen habe, das Preissystem nicht vertreten und gutheißen konnten, mich sogar noch auf weitere Schwachpunkte hinwiesen und mir immer wieder rieten, mich bei der Bahn-KundInnenbetreuung zu beschweren und mir dringend empfahlen, vor dem 15. 12. noch eine neue „alte“ Bahncard zu kaufen. Und ansonsten zu hoffen, dass das Preissystem innerhalb der nächsten 12 Monate wieder gekippt wird. Für Letzteres hoffe ich auch auf den Einsatz der VolksvertreterInnen in den Parlamenten. Denn wenn sie ein umweltfreundliches Verkehrsmittel für alle Bevölkerungsgruppen fördern wollen, dürfen sie nicht zulassen, dass ein derart fahrgastfeindliches Preissystem beibehalten wird. BELINDE STIEVE, Bremen
Die Bahn wirbt massiv in allen Medien damit, dass Kinder ab dem 15. 12. unter 14 Jahren in Begleitung eines Erwachsenen kostenlos befördert werden. Schaut man sich die Bestimmungen genau an, dann liest man, dass das nur gilt, wenn das/die Kind(er) auf dem Fahrschein des Erwachsenen eingetragen wurden.
Und hier ergibt sich nun unser Problem und die Diskriminierung von schwerbehinderten Kindern und deren Familien: Unser schwerbehinderter Sohn ist jetzt 6 Jahre alt und besitzt einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkmal *B* = Begleitung erforderlich. Als Begleitperson meines Sohnes greift der gesetzlich verankerte Nachteilsausgleich, wonach ich keine Fahrkarte benötige und mein Kind kostenfrei begleiten kann. Auf telefonische Nachfrage wurde mir mitgeteilt, dass mein Kind entgegen der Werbung dann doch einen Fahrschein benötigt. Noch komplizierter wird es, wenn ich zusammen mit meinem behinderten Kind und dessen Bruder fahre: Entweder ich nehme den gesetzlichen Anspruch auf kostenfreie Beförderung des Begleiters in Anspruch und kaufe für beide Kinder dann einen Fahrschein, oder ich muss auf diesen gesetzlichen Nachteilsausgleich verzichten, um die Bedingungen der Deutschen Bahn zu erfüllen, und die Kinder reisen dann kostenfrei.
Aber das ist nicht das Einzige, wo die Bahn Behinderte nicht als gleichberechtigte Kunden berücksichtigt. So sind Platzreservierungen übers Internet nur kostenpflichtig möglich; die Schwerbehinderten mit passendem Merkmal zustehenden kostenfreien Reservierungen für bis zu zwei Plätze sind nicht möglich. Selbst die telefonische Vorbestellung ist nun nach telefonischer Auskunft wohl bald Vergangenheit, da man reservierte Platzkarten dann nicht mehr am Schalter, sondern nur im Automaten abholen könne! Schwerbehinderten Reisenden bleibt dann wohl keine andere Möglichkeit mehr, als sich vorher persönlich zu einem Bahnschalter zu begeben. Kurzfristige oder spontane Reisen sind so aber nicht oder nur mit Hilfe realisierbar!
Wir finden, dass ein solches Verhalten und Geschäftsgebahren und die daraus resultierenden diskriminierenden Benachteiligungen, wo zudem gerade noch ein Gleichstellungsgesetz verabschiedet wurde, unhaltbar sind. ANDREA MAIUOLO, Berlin
Die Redaktion behält sich den Abdruck und das Kürzen von Briefen vor. Die veröffentlichten LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen