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Betr.: Bambule nach St. Pauli-Spiel, taz hamburg vom 8.11.2002
Graben
Vor einigen Tagen bin ich aufgewacht und habe mit Verwunderung festgestellt, dass jemand mein Viertel in ein anderes Land verschleppt haben muss. Dies muss alles sehr leise und diskret passiert sein, weil ich wirklich nicht den blassesten Schimmer hatte, wie sich das Lebensgefühl in der Mitte der Hansestadt so gravierend verändern konnte. Wie kann es sein dass innerhalb von wenigen Tagen, wie von einer enormen Flutwelle ein Großteil des norddeutschen Polizeibestands nach Hamburg geschwemmt wurde? Und wieso werden die Bauwagenleute nach ihrer Vertreibung auch noch ausgewiesen und enteignet? Dies alles ohne ernst zu nehmende Erklärungen der Verantwortlichen? Und wie konnte überhaupt jemand auf die Idee kommen, dass eine Messe im Stadtzentrum funktionieren könnte? Womit konnte diese Art von Entmündigung legitimiert werden in einem Sozialstaat, der sich die Demokratie dick auf seine Fahnen geschrieben hat? Und weshalb muss ich meinen Ausweis zeigen wenn ich einkaufen gehen will? Und wo sind die Oppositon und die Medien, die, selbst wenn sie sich nicht mit den Bambulisten solidarisieren können, ein Auge auf die Umgangsformen der Entscheidungsträger haben sollten?
Diese Dinge beschäftigen mich sehr und ich frage mich, was passieren wird, wenn sie sich der Flora annehmen werden um auch die schwarz zu malen?
Ich hoffe, dass wenn ich morgen aufwache, ich mich wieder in der anderen Stadt befinde, die Platz für alle Nischen dieser Menschheit hat. Susanne Müller
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