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Hasch mich, ich bin der Georg!

Verdachtsmomente, Ausschlussverfahren, die Gehirnwindungen auf voller Drehzahl und ein goldener Tappert: Die Krimi-Rate-Show „Fang den Mörder“ rätselte zum ersten Mal in Berlin. Ein interaktiver Promiödianten-Stadel

Das Konzept der Krimi-Rate-Show ist einfach: zwei klassische Kriminalhörspiele, live gelesen von Schauspielern, Geräusche und Musik inklusive. Das Reizvolle dabei: das Publikum als Kommissar. Besonders gut gelaunt war sie denn auch, die illustere Gesellschaft, die sich am Dienstagabend im Tränenpalast eingefunden hatte, um die ersten Fälle der Krimi-Rate-Show „Fang den Mörder“ in Berlin zu lösen. Bereit zu allem, die Gehirnwindungen auf voller Drehzahl. Die Produzenten Frank Lustig und Martin Armknecht haben ihre kleine Mörderjagd aus Köln exportiert, wo sie seit einem Jahr regelmäßig läuft.

Doch spätestens beim Preis für den Sieger wird es komplizierter: Ihm winkt eine Trophäe Modell „Die goldene Tappert“. Die goldene Tappert? Da ahnt man schon den unbedingten Willen zur Parodie. Ein vertrackter Fall also, dieser Rätselabend. Denn die wahre Frage der Berlin-Premiere lautete bald: Wo waren Spannung und Witz geblieben?

Teil eins der Indizienkette: das Ausschlussverfahren. Absolut unverdächtig waren die wunderbar Hörspiel-gelaunten Schauspieler Achim Grubel, Michaela Hinnenthal, Thomas Nicolai, René Steinke und Horst Pinnow, die anklingen ließen, wie lauschenswert Live-Hörspiele mit Rätseleffekt sein könnten. Unverdächtig im Grunde auch Dieter Hebben, professioneller Gräuschemacher. Hinter seinem Krimskrams-Tisch tat er sein Bestes, ließ mit einem Plastikeimer das Meer rauschen und schüttelte Schafmähen aus kleinen Trickdosen. Teil zwei der Indizienkette: Ein Herr im glitzer-glittrig schwarzen Anzug steht auf der Bühne und redet in ein Mikrofon. Anfangs über geklöppelte Justitias im lang berocktem Uschi-Glas-Outfit, später über Verhaftungen auf Herrentoiletten mit Handschellen eines pensionierten Polizisten aus Neukölln. Er ist Nummer eins auf der Verdächtigenliste: Georg Uecker – der knuffige „Carsten Flöter“ aus der „Lindenstraße“, diesmal in der Rolle des Conferencier-sein-wäre-toll-Moderators.

Ein anderer Herr sitzt links auf der Bühne und spielt Klavier. Anfangs ein bisschen Beatles-Yesterday, dann ein wenig „Drunken Sailor“, am Ende Pippi-Langstrumpf-Melodien. Das ist unsere Nummer zwei: Andreas Kämmerling, der Pianist, der Mann, bei dem Uecker sein Prosecco-Gläschen zwischendurch abstellt. Bleibt das schwerwiegendste Verdachtmoment: die untergürtellinigen Kalauer, die ironisch sein wollten und nicht so recht konnten. Da wurde ein beleibteres Mutter-Tochter-Paar als „Greifswalder Weather Girls“ auf die Bühne geholt und bekomplimentiert: „Was siehste heute wieder lecker aus, Helga.“

Indizienkette geschlossen, die Tappert’sche Erkenntnis steht: Der Import aus dem Rheinland war nichts anderes als ein Live-Test für ein neues Fernsehformat: ein Kriminal-Promiödianten-Stadel. Dumm nur, dass die Bühne des Tränenpalasts nicht in der Mattscheibe lag. Dann hätte die Fernbedienung kurz zu den 20-Minuten-Krimis gezappt. Und den Rest-Stadel in die Werbepause geschickt. SUSANNE LANG

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