: „Good morning, Mr. Piazza“
Mike Piazza, Catcher bei den New York Mets, weilt im Dienste von Major League Baseball in Europa, um den Sport auch in Deutschland populärer zu machen und die Gründung einer Profi-Liga zu fördern
aus Berlin THOMAS WINKLER
Der Schulhof ist weitgehend verwaist. Über den kastenförmigen Zweckbauten liegt die übliche, von latent aggressiver Langeweile geprägte Atmosphäre einer Bildungseinrichtung. Ein paar Schüler werfen auf einen Basketballkorb, andere lümmeln auf Schultaschen. Der Superstar lässt auf sich warten, aber gespannte Nervosität sieht anders aus.
Der erste Hinweis darauf, dass an diesem Tag in der John-F-Kennedy-Schule im Berliner Bezirk Zehlendorf der Schulalltag unterbrochen wird, findet sich auf dem Weg zur Turnhalle. Am Fenster eines Klassenzimmers klebt ein DIN-A-4-Blatt, auf dem Katrin und Simone einen gewissen Mike Piazza herzlich willkommen heißen. In der Turnhalle wird die Begrüßung geprobt. „Good morning, Mister Piazza“ sollen die frisch mit Mets-T-Shirts ausgestatteten Kinder im Chor sagen, und das laut genug.
Mr. Piazza, 34 Jahre alt, Baseball-Profi bei den New York Mets, hat sich angekündigt, um die Werbeaktivitäten von Major League Baseball (MLB) zu unterstützen. Die mit Abstand wichtigste und reichste Baseball-Liga der Welt garantiert Piazza ein Jahressalär von 13 Millionen Dollar.
Da nehmen sich die Aufwendungen von MLB, der Alten Welt die „National Pastime“ nahe zu bringen, vergleichsweise bescheiden aus. Über eine Million Dollar gibt MLB jährlich für sein „Play Ball!“-Programm in Europa aus, verteilt Baseball-Ausrüstungen an Schulen, bildet Lehrer und Trainer fort, organisiert in zehn Städten eine Kinder-Liga und schickt die Play-Ball!-Roadshow auf Tour. Aufblasbare Trainingsvorrichtungen, ein Mini-Baseballfeld und Ähnliches erreichen jährlich 80.000 Kinder.
Einige davon sind zu aktiven Spielern geworden und nun eingeladen zu der kleinen Trainingseinheit in der Turnhalle, die mit mehr als halbstündiger Verspätung beginnt. Das „Good morning, Mister Piazza“ kommt leiser als geübt, Piazzas Antwort ist ein „Wie geht’s“ mit breitem Akzent. Gestern studierte der Star noch das Londoner Nachtleben, am Vormittag besichtigte er „the Brandenburg Gate“ und nun schlurft er eine Stunde geduldig durch die Turnhalle und betrachtet Kinder, die Bälle schlagen, Kinder, die Bälle fangen, und Kinder, die Bälle werfen. Ab und an gibt er freundlich einen Tipp, korrigiert Handgriffe und Schlägerschwung.
Anschließend berichtet Piazza, als schlagkräftigster Catcher in der Geschichte des Baseball auf dem direkten Weg in die Hall of Fame, davon, wie er selbst als 12-Jähriger Besuch von der kürzlich verstorbenen Legende Ted Williams bekommen hatte. Auch deshalb fühle er eine Verpflichtung, bei solchen Werbefeldzügen Baseball zu unterstützen. „Das ist hoffentlich nur der erste von vielen Schritten. In Asien ist Baseball im Amateurbereich sehr populär und nun auch als Profisport. Da wollen wir auch in Europa hin.“ Höflich zeigt er sich nicht nur „beeindruckt“ von Architektur und Historie der Hauptstadt, sondern auch von „sportlichen Fähigkeiten und Baseball-Wissen der Kids“, bevor er sich auf den Weg nach Rom macht, wo er weitere Architektur bestaunen und die Medienpräsenz von MLB steigern wird.
Baseball ist hierzulande eine Randsportart am äußersten Rand, die Stars sind im Gegensatz zu amerikanischen Basketball- und selbst Football-Spielern kaum bekannt. Während Piazza, einer der begehrtesten Junggesellen Amerikas und gern gesehener TV-Serien-Gaststar, in Manhattan problemlos Menschenaufläufe verursacht, hält sich das Medienaufkommen im schnieken Zehlendorf in arg überschaubaren Grenzen. Neben ein paar Zeitungen ist gerade mal ein Kamerateam vor Ort.
Als Breitensport allerdings ist Baseball mitunter durchaus erfolgreich. An der deutsch-amerikanischen JFK-Schule spielen 250 Kinder, viele müssen jedes Jahr abgelehnt werden. Mangels Gegnern im Rest der Stadt müssen die vier bis fünf Teams pro Altersklasse aber vornehmlich gegeneinander antreten. Und immer noch fehlt der Hauptstadt ein richtiger Baseball-Platz: Der nächste liegt hinter der östlichen Stadtgrenze in Strausberg.
Alles soll sich nun zum Besseren wenden: Neben dem „Play Ball!“-Programm, sagt Clive Russell, Chef des in London residierenden MLB-Büros, sei vor allem die Kooperation mit den nationalen Verbänden unverzichtbar. Zusammen mit denen will man „die Gemeinden dazu bringen, Baseballfelder zu bauen. Die Italiener sind deshalb in Europa führend, weil diese Entwicklung dort vor 20 Jahren eingesetzt hat und es mittlerweile ungefähr 100 professionelle Plätze gibt.“
Diese Entwicklung verstärken könnte demnächst eine Profi-Liga. MLB, so Russell, studiere momentan sehr genau die Voraussetzungen. Noch sei alles möglich: Eine Europa-Liga mit Farm-Teams der großen Major-League-Klubs, eine kleine Liga mit sechs Teams ähnlich dem Football-Vorbild der NFL Europe oder auch eine Professionalisierung der Bundesliga. „Es gibt viele Optionen“, sagt Russell und verspricht eine Entscheidung innerhalb der nächsten zwölf Monate: „Wir müssen ja nicht das Rad neu erfinden, wir müssen nur rauskriegen, wie es am besten läuft.“ Das Ziel aber ist klar: Spätestens in fünf Jahren soll eine Profi-Liga etabliert sein, die der Mutterliga in den USA neue Talente, Fans und Aufmerksamkeit zuführtsoll, damit sich die Investitionen amortisieren. Denn, so Russell, „am Ende des Tages geht es darum, Geld zu verdienen“.
Noch aber ist Deutschland kein Baseball-Markt und die Stars von drüben sind nicht notgedrungen Respektspersonen. Während des Trainings schallt es wiederholt von der Empore: „Hey, Piazza, hey, Pizza, I recommend a Döner.“ Die Sprache hat die Zielgruppe schon drauf. Jetzt müssen nur noch die Inhalte vermittelt werden.
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