: An einem Strang
Einheit von Orchester, Dirigent und Solist: NDR-Sinfonieorchester spielte Beethoven und Read Thomas
Ein Herz und ganz viel Seele – so könnte man, zugegebenermaßen etwas banal, die Interpretation des ersten Klavierkonzertes von Ludwig von Beethoven am vergangenen Freitag in der Musikhalle zusammenfassend beschreiben. Sowohl Orchesterleiter Christoph Eschenbach als auch Pianist Pierre-Laurent Aimard zeigten den gleichen inneren Zugang zur Musik Beethovens und zogen somit musikalisch an einem Strang.
Und selbst wenn es im Dialogisieren zwischen NDR-Sinfonieorchester und Solist zu minimalen Tempodifferenzen gekommen ist, wirkte dies nicht als Uneinigkeit. Es erschien vielmehr als bewusst kalkuliertes leichtes Ausbremsen des musikalischen Flusses und Unterlaufen der Hochspannung, um Zeit für das Ausformulieren aller Details der Musik Beethovens zu gewinnen. Es schien, als komme Aimards Klavierspiel dem Ideal des jetzt dirigierenden Pianisten Eschenbach mehr als nahe.
Wären da nicht gelegentliche Unsauberkeiten in den Holzbläsern gewesen, hätte diese Interpretation eine Sternstunde sein können. Aimards Fähigkeit, ätherische Leichtigkeit, unglaublich fein differenziertes, farbenreiches Spiel und kraftvolle Entäußerung miteinander zu verbinden, dürfte zur Zeit einzigartig sein.
Nach einer solch überragenden Aufführung hatte es das weitere Programm des Abends schwer, noch zur Wirkung zu kommen. Aber auch dies gelang durchaus. Bei der Aufführung des Fragmentes von Mozarts Requiem konnte Eschenbach zwar nicht so in die Tiefen des Werkes vordringen, wie man sich dies gewünscht hätte. Jedoch gelang ihm eine in sich schlüssige Interpretation. Das direkt an das Fragment anschließende Auftragswerk von Augusta Read Thomas erwies sich als eine vom Respekt der Komponistin vor dem Genius Mozart geprägte, gleichsam gerade in der daraus erwachsenden Zurückhaltung eindrucksvolle Schöpfung.
Die von Read Thomas vertonten Gedichte Emily Dickinsons waren idealer Ausgangspunkt für das Vorhaben der Komponistin, das Mozart-Fragment durch eine ganz eigenständige und heutige Musik abzuschließen. „Schlag – und meine Seele steigt singend zum Paradies – stets Dein“, so heißt es am Schluss des Stückes, und die Stimmen stiegen in lichte Höhen, als ob der Tod ein Rendezvous mit dem Licht wäre. Reinald Hanke
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