american pie: Heikle Mission für den neuen US-Basketballcoach
Perspektivische Knieschmerzen
Van Chancellor, der das US-Team ungeschlagen zum Titel bei der Frauen-Weltmeisterschaft in China führte, wurde am Montag zum Basketballcoach des Jahres in den USA gewählt. Beileibe keine Überraschung. Nur eine Sache war vorher noch klarer: Trainer des Jahres würde keinesfalls George Karl werden. Der bedauernswerte Headcoach von den Milwaukee Bucks ist immer noch bevorzugtes Objekt des Spottes, nachdem sein US-Team bei der Männer-WM in Indianapolis drei Niederlagen kassierte und nur einen schmählichen sechsten Rang belegte.
Während der Großteil der Sportfans in den USA die Schmach mit einem angewiderten Achselzucken quittierte – was ist schon eine Weltmeisterschaft? –, sitzt der Schock bei den Verantwortlichen des US-Verbandes tief. Vor allem gab die Manier zu denken, in der ein Team unterging, das zwar nicht aus den Topcracks der Liga, aber doch aus jungen NBA-Stars zusammengesetzt war, die in ihren Klubs zu den Leistungsträgern zählen. Gegen die organisierten, geduldigen Angriffszüge der treffsicheren anderen Teams wirkte die Abwehr aber oft hilflos, im Angriff fehlte die Abstimmung und häufig schien die Mannschaft keine blasse Ahnung zu haben, wie sie eigentlich zu Punkten kommen sollte. Ähnlich war es schon bei Olympia in Sydney gewesen, wo ein wesentlich besser besetztes US-Team nur knapp die erste Niederlage für eine Profi-Mannschaft aus den USA vermeiden konnte. Klar ist, so P. J. Carlesimo, 1992 Assistenztrainer beim ersten Dream Team in Barcelona: „Ein paar Leute für zwei Wochen zusammenholen und dann alles gewinnen, das funktioniert nicht mehr.“
Was den Verband vor ein erhebliches Problem in Hinblick auf die Olympischen Spiele 2004 in Athen stellt. „Die Besten müssen her“, lautete das einhellige Fazit des Debakels von Indianapolis. Doch die Besten scheinen keineswegs erpicht darauf, ihren Sommerurlaub für den Basketball-Ruhm der Nation zu opfern. Noch kein Superstar hat ausdrücklich seine Bereitschaft erklärt, zur Verfügung zu stehen. „Ich habe schon ein paar Goldmedaillen“, sagt Center Shaquille O’Neal, „sollen doch lieber ein paar Jüngere ran.“ Im Prinzip ja, meint einer der Jüngeren, der 24-jährige Kobe Bryant, der die letzten beiden Großereignisse absagte, weil er sich lieber seiner Familie widmen wollte, „aber über diese Brücke gehen wir, wenn wir dort sind.“
Das wird nicht genügen, denn seit der WM bereitet den Verantwortlichen sogar eine Sache Sorgen, die vorher nie jemand ernst nahm: die Qualifikation. Bislang ist nur Weltmeister Jugoslawien sicher bei Olympia, in Amerika werden im nächsten Jahr bei einem Turnier drei Plätze vergeben. Und der Schock von Indianapolis lässt nun auch Teams wie Puerto Rico, Brasilien, Argentinien oder Kanada als reale Gefahrenquellen erscheinen. Da es vor allem das mangelnde Mannschaftsspiel war, das bei der WM den Boden für die Niederlagen bereitete, soll das Qualifikationsteam möglichst identisch mit dem späteren Olympiateam sein.
In diesen Tagen wird zunächst der Coach bestimmt, dessen erste Aufgabe es sein wird, saturierte Superstars wie Shaq, Kobe, Iverson, Garnett, Carter, Duncan, Webber, McGrady oder Kidd zu überreden, gleich zwei Sommer für Olympia zu opfern. Kandidaten sind Phil Jackson (Lakers), Pat Riley (Miami), Jerry Sloan (Utah) und Larry Brown (Philadelphia). Letzterer gilt wegen seiner langen olympischen Geschichte als Favorit. 1964 gewann er Gold als Spieler, 1976, 1996 und 2000 war er jeweils Assisent bei den erfolgreichen Olympia-Missionen. Shaquille O’Neal hat allerdings bereits angekündigt, wenn überhaupt, nur für Phil Jackson zu spielen: „Larry Brown? 2004 werde ich ziemliche Schmerzen am Knie haben.“ MATTI LIESKE
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