: Leicht durchschaubare Versuchsanordnung
Publikum tanzt ergeben den Direktiven und Vortänzern hinterher: „Public Audition / To Be Announced“ der in Berlin lebenden Performance-Künstlerin Elyce Semenec als magerer Beginn der Kampnagel-Reihe „Reiß mich auf“, die Grenzen zwischen Akteuren und Zuschauern sprengen will
Ein bescheidener Einstieg ins Kampnagel-Thema „Reiß mich auf!“ war das. Man hat ein bisschen gewartet, ein bisschen geschaut, sich ein bisschen bewegt – die versprochenen „15 Minutes of Fame“ blieben ein recht banales Erlebnis. Aber hier ging es ja auch erstmal nur um die Vorrunde. In Public Audition / To Be Announced steht das Publikum auf dem Prüfstand. Glamour, Sexiness, motorisches Koordinationsvermögen gilt es herauszukitzeln.
Für Soloauftritte ist allerdings kein Platz. Elyce Semenec, in Berlin lebende amerikanische Performance-Künstlerin, die sich das Spektakel ausgedacht hat, hält die Zügel fest in der Hand, dirigiert ihr Publikum grüppchenweise. Das gesamte Auditorium wird zum kollektiven Tanzkörper, jede Reihe hat ihre Aufgabe. Fünf Frontleute übernehmen mit lässigem Schritt die Führung. Die Chorus Line schüttelt die Fäuste wie Rumbanüsse, twistet im Sitzen. La Ola ist den hinteren Reihen vorbehalten, und von den Seiten eilen auf Kommando Walzertänzer herbei.
Per Sitzordnung konnte jeder sich im Vorfeld für die Zugehörigkeit zu einer Gruppe entscheiden. Denn was sich so perfekt anhört, musste natürlich geübt werden. Das Stück von einer Stunde Dauer ist denn auch nichts weiter als die Einstudierung simpler Schrittfolgen – für die Produktion eines Musikvideos.
Durch den schwarzen Vorhangschlitz, eingehüllt in roten Schein und Bühnennebel, war die Künstlerin anfangs auf das Übungsfeld getreten, hatte ihr Kostüm ablegt und die rosa Beinstulpen über ihre glitzernden Plateauschuhe gezogen. Mit durchgedrückten Knien und verschränkten Armen steht sie nun da im Minirock und schulterfreien Top, das den kompakten, durchtrainierten Oberkörper zeigt. Mit rauhem Charme erklärt sie nun, was Sache ist. Ein Showtalent ist sie, die wenig Aufhebens macht um ihre eigene Show. Und alle fügen sich brav, höflich oder auch neugierig ihren Direktiven. Doch im Grunde genommen hat man die Versuchsanordnung ziemlich schnell, zu schnell, durchschaut. Und der Spaß an der Sache selbst hält sich in Grenzen. Elyce Semenec aber ist zufrieden mit den Hamburger Vortänzern und verteilt anschließend Visitenkarten mit ihrer E-Mail-Adresse. Kein letzter Walzer im roten Licht mit Bühnennebel. Nüchternheit gehört hier ebenfalls zum Konzept.
MARGA WOLFF
weitere Vorstellungen: 22. und 23. 11., 20 Uhr, Kampnagel k2
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