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Gabriels neue Kleider

Russische Minister besichtigen den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven. Angeblich wollen sie dort Container umschlagen lassen, aber die wahren Motive des Besuchs bleiben im Dunkeln

In Russland lieben sie Potemkin’sche Dörfer seit Katharina der Großen. Nur leider hat dem Staat in den letzten Jahren einfach das Geld dafür gefehlt. Wenn die russischen Politiker die sehen wollen, machen sie eine Auslandsreise. Gestern zum Beispiel reisten in Wilhelmshaven gleich zwei hohe Würdenträger aus Moskau an: Transportminister Sergej Ottowitsch Frank und der erste stellvertretende Eisenbahnminister Wladimir Iwanowitsch Jakunin.

Am Sonntagabend hatte Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel bei „Christiansen“ noch gefordert, den Wählern endlich reinen Wein einzuschenken. Keine zwölf Stunden später hat der Mann die Stirn, mit seinen Gästen im Helikopter über Wilhelmshaven zu kreisen und vom Tiefwasserhafen zu schwärmen. Sieht ja von oben auch prima aus, der Jadebusen. Und immerhin, eine Ölkaje gibt es auch schon. Kein Wort von der gescheiterten Privatfinanzierung. Und schon gar nicht von der Haushaltslage Bremens und Niedersachsens, die vermuten lässt, dass das Hafenprojekt nach den Landtagswahlen den Weg alles Irdischen geht.

„Die Russen kommen nicht extra her, nur um Kontakte anzubahnen, da steckt irgendwas anderes hinter“, ist sich ein Russland-Kenner sicher. Ein anderer verweist darauf, dass auch der Hafendirektor von St.Petersburg dabei war. „Das heißt, die könnten auch was Operatives entscheiden.“

Wer weiß, vielleicht will Sergej Ottowitsch ja selbst in Wilhelmshaven investieren. Der 42-jährige Ingenieur soll nämlich in seinem vorherigen Job bei der „Fernöstlichen Schiffskompanie“ in Wladiwostok zu größeren Summen Geldes gekommen sein. Damit wäre er natürlich bei den klammen Hafenbauern hochwillkommen. Vielleicht will er aber auch nur die Transsibirische Eisenbahn von Wladiwostok über Moskau und Berlin nach Wilhelmshaven verlängern, was die Anwesenheit von Wladimir I. erklären würde.

Höflicherweise machte die Delegation auch dem potenziellen Hafenbetreiber Bremen ihre Aufwartung und hinterließ immerhin ein Autogramm im Goldenen Buch. Offiziell heißt es, Wilhelmshaven solle zur Drehscheibe für Russlands rasant wachsenden Containerverkehr werden. Wann – 2008? Die russischen Gäste machten sicherheitshalber auch in Hamburg Station, bisher der Platzhirsch im Russland-Geschäft. Dort steht vom Dörfchen Altenwerder zwar nur noch der Kirchturm, daneben aber nagelneue Containerterminals. Besser als bei Potemkin. jank

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