MEDIENPOLITIK: DIE SPANISCHE REGIERUNG WILL DIE ÖLPEST TOTSCHWEIGEN: Verlässliches kommt nur aus Portugal
Die spanische Regierung stellt sich das ganz einfach vor: Sie versucht totzuschweigen, was es nicht geben darf. „Ein bisschen Öl“ sah sie, als der Tanker „Prestige“ zerbrach; später leugnete sie, es sei Richtung Küste unterwegs. Angaben über die Menge des ausgeströmtem Schweröls wurden halbiert. Trotz anders lautender Informationen eines portugiesischen Institutes behauptet Sprecher Rajoy steif und fest, dass aus dem Wrack kein weiteres Öl entweicht. Rajoy leugnete auch, dass überhaupt Öl zur Küste unterwegs war. Und anstatt die Ölpest auch so zu nennen, ist nur von „Verschmutzung“ und „ausgelaufenem Schweröl“ die Rede.
Diese Sprachregelung erlegen sich nicht nur die Behörden selbst auf. Diese Euphemismen werden auch den Reportern des staatlichen und regionalen Fernsehens aufgezwungen. Und wenn die private Presse bei den staatlichen Stellen anruft, sind die Informationen nur selten brauchbar. Die Behörden erfinden Säuberungsarbeiten. Wer die Trupps dann vor Ort sucht, muss erfahren, dass sie nie da waren. Längst zitieren die Zeitungen portugiesische Quellen, wenn es darum geht, wo das Öl demnächst die Küste erreicht – diese Angaben haben sich bisher jedes Mal als richtig erwiesen.
Das Überfliegen der Unglücksstelle ist mittlerweile verboten – offiziell, um die Beobachtung der Ölflecken aus der Luft nicht zu behindern. Doch die meisten Reporter sind sich sicher, dass es einmal mehr darum geht, ihre Arbeit zu behindern. Selbst wer versucht, die Ölteppiche vom Meer aus zu fotografieren, bekommt Ärger: Am Montag durften drei Fotografen galicischer Tageszeitungen nicht mit einem Fischerboot hinausfahren.
Die Pressepolitik erinnert stark an die zur Zeit Francos. Doch die staatlichen Medien sind auch in Spanien nicht mehr allein, und Internet existiert selbst in den letzten Winkeln Europas. Bessere Informationen könnten die Betroffenen erst erhalten, wenn das Staatsfernsehen aus dem Griff der Regierung gelöst würde. Aber das will nicht einmal die Opposition – sie hat die Sendeanstalten ebenfalls funktionalisiert, als sie an der Macht war.
REINER WANDLER
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