: Angebot für Türkei
Mehrheit der EU-Staaten für baldige Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Keine finanziellen Zugeständnisse für die 10 Beitrittskandidaten
BRÜSSEL rtr ■ Die meisten EU-Staaten wollen mit der Türkei unter bestimmten Bedingungen in zweieinhalb Jahren über einen Beitritt zur Union verhandeln. Außenminister Joschka Fischer sagte gestern in Brüssel am Rande des letzten Treffens mit seinen EU-Kollegen vor dem Kopenhagener Erweiterungsgipfel, ein entsprechender deutsch-französischer Vorschlag werde von einer sehr großen Mehrheit unterstützt und in die Schlussfolgerungen des Gipfels Ende der Woche einfließen. Dort sollen auch die schwierigen Finanzverhandlungen für den Beitritt von zehn Staaten abgeschlossen werden.
Deutschland und Frankreich schlagen vor, im zweiten Halbjahr 2004 auf Grundlage eines Berichts über die türkischen Reformen zu entscheiden, ob mit der Türkei am 1. Juli 2005 Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden. Bis dahin soll die Türkei weitere Fortschritte auf dem Weg zu den Menschenrechtsstandards der EU machen. Im Gegenzug für das bedingte Datum erwartet die EU von der Türkei Entgegenkommen bei den Einigungsgesprächen für Zypern und beim Zugriff der EU-Eingreiftruppe auf Planungskapazitäten der Nato. Fischer sagte, es gebe keine direkte Verbindung zwischen diesen Punkten und dem Verhandlungsdatum. Sie hingen aber dennoch miteinander zusammen. Die Türkei hat den Vorschlag bereits als inakzeptabel bezeichnet und verlangt ein direktes Datum für Verhandlungen zumindest vor der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004.
Fischer sagte weiter, Finanzfragen und Streitpunkte in der Agrarpolitik könnten erst auf dem Gipfel entschieden werden. „Wenn sich beide Seiten bewegen, werden wir einen historischen Kompromiss erreichen“, fügte er hinzu und deutete damit erstmals deutsche Kompromissbereitschaft an. Kanzler Gerhard Schröder hatte zuvor Zugeständnisse an die Beitrittskandidaten abgelehnt, die über die Ergebnisse des Brüsseler EU-Gipfels vor zwei Monaten hinausgehen. Polen und mehrere andere Beitrittsländer fordern, das jetzt angepeilte Finanzpaket von 40,5 Milliarden Euro für die ersten drei Jahre um bis zu 2 Milliarden bis an die Obergrenze der EU-Finanzplanung zu erhöhen. Dänemarks Außenminister Per Stig Möller sagte jedoch, das Portemonnaie sei in der Tasche und werde nicht mehr herausgeholt.
Bis gestern hatten Zypern, Estland und die Slowakei ihre Beitrittsverhandlungen abgeschlossen. Die übrigen sieben Länder Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Lettland, Litauen und Malta müssen letzte Fragen noch auf dem Gipfel klären.
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