: Terrorvorwurf, leicht rätselhaft
Die Bundesanwaltschaft verdächtigt zwei junge Magdeburger, mit westdeutschem Radikalenjargon der 80er-Jahre eine terroristische Vereinigung aufgebaut zu haben
BERLIN taz ■ Zwei Wochen nachdem die Bundesanwaltschaft der überrraschten Öffentlichkeit zwei Anfang Zwanzigjährige aus der linken Szene in Magdeburg als mutmaßliche Mitglieder einer bislang unbekannten „terroristischen Vereinigung“ präsentierte, sind die Ermittlungsbehörden offenbar in Beweisnot.
Mit dem Vorwurf nach Paragraf 129 a des Strafgesetzbuches ließ die Generalstaatsanwaltschaft den 23-jährigen Marco H. und den 21-jährigen Daniel W. am 27. November in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt festnehmen. Seitdem befinden sie sich in Untersuchungshaft in den Justizvollzugsanstalten Köln-Ossendorf und Rheinbach.
Warum die Bundesanwaltschaft die beiden jungen Männer für Mitglieder einer terroristischen Vereinigung namens „kommando. freilassung aller politischen gefangenen“ hält, die selbst in linken Szenekreisen völlig unbekannt ist, möchte Frauke-Katrin Scheuten, Pressesprecherin der Bundesanwaltschaft, nicht detailliert erklären: „Die Ermittlungen laufen noch.“
Zu erfahren ist lediglich, dass die beiden Beschuldigten im Frühjahr dieses Jahres an zwei missglückten Brandanschlägen beteiligt gewesen sein sollen. In der Nacht zum 18. März wurde eine Brandflasche auf ein Fenster des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt geworfen, wobei geringer Sachschaden entstand. Am selben Abend scheiterte auch ein Versuch, in Magdeburg einen Wagen des Bundesgrenzschutzes in Brand zu setzen. Einige Wochen später erschien in der Berliner Szenezeitschrift interim ein Bekennerschreiben. In dem kurzen Text werden die Aktionen im 80er-Jahre-Jargon westdeutscher Linksradikaler unter anderem mit brutalen Polizeieinsätzen in Magdeburg und dem Ziel begründet, „militante Politik in den Köpfen der Bevölkerung verankern zu wollen“.
Bislang habe die Bundesanwaltschaft als Beweis für Daniel H.s Beteiligung an den Anschlagsversuchen nur „Dinge des täglichen Gebrauchs“ vorgelegt, moniert Verteidiger Sven Lindemann. So seien bei Hausdurchsuchungen gefundene Fahrradbirnen mit Fassung und Kabel, alte Feuerwerkskörper und eine Flachbatterie mit Paketband zu „typischen Elementen zur Herstellung eines Sprengsatzes“ mutiert, kritisiert der Rechtsanwalt.
In Karlsruhe wird derweil das Bild einer bundesweit agierenden Terrororganisation gezeichnet, in der das „Magdeburger Kommando“ lediglich ein Teil sei. Um auf die für eine „terroristische Vereinigung“ notwendige Mindestzahl von drei Beschuldigten zu kommen, zähle die Bundesanwaltschaft schlicht fünf weitere Anfang Zwanzigjährige zur Gruppe um Marco H. und Daniel W., so Lindemann. Einziges Verdachtsmoment: persönliche und telefonische Kontakte untereinander. Selbst das Bundeskriminalamt scheint von der Beweislage nicht überzeugt zu sein. Bei den fünf fanden bislang nicht einmal Durchsuchungsmaßnahmen statt. Gemeinsam ist den jungen Leuten bloß, dass sie bis zur Räumung im Sommer dieses Jahres im letzten besetzten Haus Magdeburgs verkehrten. HEIKE KLEFFNER
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