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Gewissens-TÜV wird einfacher

Familienministerin Renate Schmidt will Soldaten und Reservisten die Verweigerung erleichtern: Sie müssen ihre Gewissensgründe nicht mehr mündlich vortragen. Gesetzentwurf nicht aus Gründen der Gerechtigkeit, sondern um zu sparen

aus Freiburg CHRISTIAN RATH

Die Bundesregierung will die mündliche Gewissensprüfung für verweigernde Soldaten, Reservisten und Einberufene abschaffen. Nach einem der taz vorliegenden Gesetzentwurf von Familienministerin Renate Schmidt sollen alle Kriegsdienstverweigerer (KDV) ein einheitliches schriftliches Anerkennungsverfahren durchlaufen.

„Sie spazieren nachts im Park mit ihrer Freundin, die von einem Vergewaltiger angegriffen wird. Zufällig haben Sie ein Messer dabei. Wie reagieren Sie?“ Mit Fragen wie dieser mussten sich Generationen von pazifistisch gesinnten jungen Männern auseinandersetzen. Bis 1983 war die mündliche Gewissensprüfung für alle Kriegsdiensverweigerer verbindlich. Seitdem gilt im Normalfall ein schriftliches Verfahren – bei dem fast jeder, der vollständige Unterlagen einreicht, am Ende anerkannt wird.

Ganz verschwunden sind die dreiköpfigen Prüfungsausschüsse – sie bestehen jeweils aus einem Mitarbeiter der Wehrverwaltung und zwei gewählten Bürgern – allerdings nicht. Wer zu spät verweigert, muss auch heute noch ins alte Verfahren der Gewissensprüfung durch eine Kommission. Im Vorjahr waren das rund 8.200 bereits einberufene Wehrpflichtige, etwa 2.400 aktive Soldaten und etwa 1.000 Reservisten, insgesamt also knapp 10 Prozent aller Verweigerer.

Wie schwer es ist, das Gewissen eines Menschen objektiv zu prüfen, zeigt die Statistik. „Es gibt Ausschüsse, die 95 Prozent der Antragsteller anerkennen, während andere 77 Prozent ablehnen“, hat die Bremer Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer festgestellt. „Das ist Willkür“, kritisierte Peter Tobiassen, der Geschäftsführer der Zentralstelle. Ähnlich äußerte sich im September auch Renate Schmidt. Damals war die heutige Familienministerin allerdings selbst noch Präsidentin der vor allem von Gewerkschaften und Kirchenkreisen getragenen Zentralstelle.

Dass die Prüfungsausschüsse nun aufgelöst werden sollen, hat allerdings andere Gründe. Sie sind schlicht zu teuer. Für die mündlichen Gewissensprüfungen wurde im Verteidigungsministerium mehr Personal benötigt als für die zehnfache Menge schriftlicher Verfahren im Bundesamt für den Zivildienst (BAZ). Künftig sollen deshalb auch die KDV-Anträge von Einberufenen, Soldaten und Reservisten beim BAZ in Köln abgewickelt werden. Im Hause Struck werden dadurch mindestens 84 Stellen eingespart. So steht es in dem „internen Arbeitsentwurf“, den das Familienministerium jetzt einschlägigen Verbänden zur Stellungnahme zuleitete. Renate Schmidt hat das Projekt zwar beschleunigt, fand aber entsprechende Pläne schon vor, als sie nach der Bundestagswahl überraschend Ministerin wurde.

Das schriftliche KDV-Verfahren soll für Soldaten sogar im Spannungs- und Verteidigungsfall gelten. Vermutlich ist die Bundeswehr froh, wenn Problemfälle möglichst schnell aus ihren hoch spezialisierten Einheiten ausscheiden. Peter Tobiassen schätzt, dass sich die Verfahrensdauer für Soldaten von vier bis acht auf zwei bis drei Wochen halbiert. Klargestellt ist im neuen KDV-Gesetz außerdem, dass auch Soldatinnen KDV-Anträge stellen können, obwohl sie freiwillig dienen und nicht der Wehrpflicht unterworfen sind.

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