Überwachung im Netz: Bundestrojaner ist Bayerntrojaner
Das Landgericht Landshut urteilte schon im Januar: Screenshots bei E-Mail-Überwachung sind unzulässig. Dennoch wurden sie in Bayern in mindestens vier Fällen weiter praktiziert.
FREIBURG taz | Der vom Chaos Computer Club (CCC) entschlüsselte Staatstrojaner war auch praktisch im Einsatz. Das erklärte jetzt der Landshuter Rechtsanwalt Patrick Schladt. Er hatte einen der dokumentierten Staatstrojaner an den CCC übergeben. Der Trojaner war auf dem Rechner eines seiner Mandanten gefunden worden.
Damit ist klar: Der Staatstrojaner ist zumindest auch ein Bayerntrojaner. Das bayrische Innenministerium hat inzwischen bestätigt, dass die dem CCC zugespielte Software einem Ermittlungsverfahren der bayerischen Polizei aus dem Jahr 2009 zugeordnet werden kann. Allerdings müsse noch geklärt werden, ob es sich dabei um eine Testversion oder um die später tatsächlich eingesetzte Software handelt. Woher die anderen vom CCC untersuchten Trojaner stammen, ist noch unbekannt.
Gegen Schladts Mandanten war wegen eines Drogendelikts ermittelt worden. In den Akten fand Schladt Screenshots vom Computer des Beschuldigten. Als er nachfragte, wurde dies mit einer Quellen-TKÜ begründet, also einer Telekommunikationsüberwachung an der Quelle im Computer. Diese wird eingesetzt, um verschlüsselte Skype-Telefonate oder verschlüsselte E-Mails überwachen zu können.
Das Landgericht Landshut erklärte die Maßnahme im Januar 2011 für rechtswidrig. "Nach Auffassung der Kammer besteht für das Kopieren und Speichern der grafischen Bildschirminhalte, also der Fertigung von Screenshots, keine Rechtsgrundlage, weil zum Zeitpunkt dieser Maßnahmen noch kein Kommunikationsvorgang stattfindet."
Rechtsanwalt Schladt hat den Landshuter Beschluss damals veröffentlicht, der CCC den Vorgang massiv kritisiert. Die Grünen im Landtag fragten die Landesregierung, ob es noch mehr solche Fälle gebe, und wurden auf vier weitere Ermittlungsverfahren verwiesen.
Insofern ist der verfassungswidrige Trojaner eigentlich keine Neuigkeit. Doch durch die aufsehenerregende Veröffentlichung der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bekommt der Landshuter Fall nun endlich die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt.
In einer anderen Frage urteilte das Landshuter Gericht allerdings eher defensiv. So nahm es an, dass für eine Quellen-TKÜ keine spezielle Rechtsgrundlage in der Strafprozessordnung erforderlich ist. Sie könne auch auf die allgemeine Befugnis zum Abhören von Telefonen und Mitlesen von E-Mails gestützt werden. Auch viele andere Gerichte haben so entschieden, während die Bundesanwaltschaft - diesmal vorbildlich - auf Quellen-TKÜs verzichtet, solange es keine ausdrückliche Erlaubnis des Gesetzgebers gibt.
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