Zwischenbericht zum Verfassungsschutz: Nur angebräunt
Dem Geheimdienst bescheinigen Historiker eine eher geringe Beschäftigungsquote ehemaligen NSDAP-Personals. Doch die Quellenbasis ist unvollständig.
BERLIN taz | 205 ehemalige Mitarbeiter des Verfassungsschutzes waren früher einmal Mitglieder in NS-Organisationen – etwa 13 Prozent. Das ist ein Zwischenergebnis der Historiker Constantin Goschler und Michael Wala, die die Geschichte der Behörde von 1950 bis 1975 und den Einfluss von Ex-Nazis erforschen.
Auftraggeber ist der Verfassungsschutz selbst. Im Bundesnachrichtendienst BND, der aus der Naziorganisation „Gehlen“ hervorgegangen war, gab es weit mehr Ex-Nazis. Auch im Auswärtigen Amt waren 1950 die Hälfte der Spitzenbeamten ehemalige NSDAP-Mitglieder. Und im Bundeskriminalamt BKA war es ganz ähnlich.
Die Zahlen für den Verfassungsschutz sind mit Vorsicht zu genießen. 13 Prozent Ex-Nazis sind nur ein ungefährer Wert – denn die Quellenbasis ist dünn, vieles gelöscht, die Akten sind lückenhaft. Die Bochumer Historiker Goschler und Wala haben über 1.500 Mitarbeiter des Verfassungsschutzes recherchiert, aber vollständig ist diese Liste keineswegs. Sicher ist: Die Zahl der Ex-Nazis ist im Vergleich zum BKA „gering“, so Goschler.
Das ist kein Wunder. Denn das Bundesamt für Verfassungsschutz war in zweierlei Hinsicht eine besondere Behörde: Es war, anders als Auswärtiges Amt oder BKA, eine Neugründung, die laut Westalliierten ein demokratisches Gegenmodell zur Gestapo sein sollte. Deshalb durfte das Amt nur aufklären und hat bis heute keine polizeilichen Befugnisse. Und die Behörde stand bis 1956 unter der peinlich genauen Aufsicht der Westalliierten. „Die kontrollierten bis zur Putzfrau jede Neuanstellung“, so Wala.
Besonders trickreich
Doch nach 1956 sorgten bundesdeutsche Behörden reibungs- und lautlos dafür, dass auch Nazi-Täter wie der SS-Sturmbannführer Gustav Halswick mit den Segnungen des fürsorglichen deutschen Beamtenstaates bedacht wurden.
Goschler und Wala, die am Dienstag einen Zwischenbericht vorstellten, meinen in den Jahren von 1950 bis 1975 vier Phasen entdeckt zu haben. Auf die alliierte Überwachung folgte ein lockerer Umgang mit Nazitätern ab 1956, die fest angestellt wurden. Es gab, so Goschler, zwei Seilschaften in der Spionageabwehr der Behörde: eine aus dem Reichssicherheitshauptamt, die zweite aus dem SD der SS in Paris.
Um NS-Täter im Amt unterzubringen, ging man besonders trickreich vor. Hatte das Bundesinnenministerium Bedenken gegen einen Ex-SS-Mann, so brachte man den beim Landesverfassungsschutz in Niedersachsen unter – und lieh ihn dann für das Bundesamt wieder aus.
Als Willy Brandt durchgriff
Anfang der 1960er Jahre wurde die zuvor achselzuckend akzeptierte Vergangenheit von NS-Tätern öffentlich skandalisierbar. Doch das Schlimmste, was Ex-Nazis passieren konnte, war die Versetzung in eine andere, unauffälligere Behörde – mit Pensionsanspruch. Die Spitze der Behörde reagierte auf Enttarnungen von Ex-Nazis, so Wala, „unwillig und uneinsichtig“. Sie tat sich „schwer zu lernen“, so Wala – was angesichts der Biografie ihres Chefs Hubert Schrübbers nicht allzu verwunderlich war.
Die vierte Phase läutete 1969 Bundeskanzler Willy Brandt ein. Die Geheimdienste waren Kern des CDU-Staates gewesen. Das ändert sich nun langsam.
Im Jahr 2014 soll die Studie von Goschler und Wala fertig sein. Das Zwischenergebnis der beiden Historiker lautet: Es gab im Bundesverfassungsschutz zwei, drei Cliquen von Ex-NS-Tätern, doch „prägenden Einfluss“ hatten Ex-Gestapo und SS-Leute auf die Arbeit der Behörde nicht.
Denn die meisten Ex-NS-Täter und Spitzenfunktionäre des Regimes hatten 1956, als die Alliierten das Amt nicht mehr kontrollierten, keine Interesse an einem Job beim Verfassungsschutz. Sie hatten längst anderswo Karriere gemacht.
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