Zeitungskrise fordert weiteres Opfer: Ein guter Tag für Dunkelmänner
Mit den Entlassungen bei der New Yorker „Daily News“ wird das letzte kritische Lokalblatt der Metropole entkernt. Einen Sohn der Stadt wird das freuen.
„Eine Katastrophe für die Stadt“, kommentierte New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, der in der Daily News oft schlecht weggekommen war. Der Gouverneur des Bundesstaates, Andrew Cuomo, forderte den Chicagoer Verlag Tronc auf, die Entscheidung rückgängig zu machen. Und bot seine Hilfe an, um Auswege zu suchen.
Die vor 99 Jahren gegründete Daily News war das Blatt, das New Yorker ArbeiterInnen auf dem Weg zur Arbeit in der Subway lasen. Noch in den 1980er Jahren arbeiteten mehr als 400 JournalistInnen für die Zeitung, die auch heute noch an den Kassen der Supermärkte zu haben ist. Aber in der U-Bahn ist sie nur noch selten zu sehen. Der Niedergang des Anzeigengeschäfts, der Absturz im Kioskverkauf und die Umstellung auf Online haben der Daily News schwer zu schaffen gemacht. 1993 entging sie dem Verschwinden nur, weil der New Yorker Immobilienriese Mortimer Zuckerman das Blatt übernahm. Doch er kürzte radikal. Im vergangenen Jahr wurde die Daily News für einen symbolischen Dollar an das Chicagoer Medienunternehmen Tronc verkauft, dem Dutzende von Lokalzeitungen, Boulevardblättern und Magazinen quer durch die USA gehören.
Doch die Redaktion blieb kämpferisch und kreativ. Ihre ReporterInnen brachten Missbrauch in New Yorker Knästen an die Öffentlichkeit. Und sie waren auch die einzigen, die kontinuierlich am Ball blieben, als im zurückliegenden Winter herauskam, dass Tausende Wohnungen in den Sozialbauten der Stadt keine funktionierende Heizung hatten.
Die Titelseiten richteten sich oft gegen Donald Trump
Am besten – und weltberühmt – waren die Titelseiten. Seitdem Donald Trump Präsident ist, richteten sie sich oft gegen ihn. Die letzte spektakuläre davon erschien am Tag nach dem Helsinki-Gipfel. „Offener Verrat“, stand da über einer Zeichnung, auf der Trump Händchen mit Putin hielt und gleichzeitig mit einer Pistole in den Kopf von Onkel Sam schoss.
Die Daily News verkaufte sich zuletzt nur noch 200.000 mal pro Tag. Allerdings blieb sie ein Klick-Star in den sozialen Medien. Als letzter Printkonkurrent auf dem lokalen New Yorker Markt ist nun lediglich das rechte Boulevardblatt New York Post übrig geblieben, das genau wie der TV-Sender Fox und das Wall Street Journal dem Medienunternehmer Rupert Murdoch gehört.
Der gefeuerte Chefredakteur der Daily News, Jim Rich, hatte am frühen Montagmorgen per Tweet eine Vorwarnung verbreitet. „Wer die Demokratie hasst und glaubt, lokale Regierungen brauchen keine Kontrolle und sollen im Dunkeln manövrieren, der wird heute einen guten Tag haben.“ Nachdem die Entlassenen das Gebäude verlassen hatten, erschienen auf der Twitter-Seite noch eine Weile lang kritische Kommentare der Onlineredaktion. Dann änderten die neuen ChefInnen das Passwort und löschten sämtliche anstößige Einträge.
Der neue Chefredakteur Robert York ist ein Medien-Geschäftsmann, der zuvor für die Los Angeles Times und für ein Provinzblatt in Pennsylvania gearbeitet hat, die damals beide ebenfalls zu Tronc gehörten. Zahlreichen anderen Blättern des Verlags droht ein ähnliches Schicksal wie der Daily News. Die Los Angeles Times entging diesem Schicksal im vergangenen Jahr nur knapp, als im letzten Moment ein Milliardär das kalifornische Blatt aufkaufte.
Die 8,5-Millionen-Stadt New York wird mit den Massenentlassungen bei der Daily News eine Medienwüste in lokalen Fragen. Denn die großen Printredaktionen in der Stadt – allen voran Wall Street Journal und New York Times – halten die Lokalberichterstattung für nicht profitabel und haben sie drastisch eingeschränkt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag