Zeitung erpresst Geheimdienstchef: „Details, wo Sie betreffen!“
Er hat nicht Tatort geguckt und war nicht im Gottesdienst. Schweizer Journalisten haben ihren Geheimdienstchef überwacht. Jetzt erpressen sie ihn.
Sie sind ins Berner Oberland gefahren, haben ermittelt, was er verdient und wo die Yacht des Schweizer Geheimdienstchefs ankert, sagen sie. Sie haben ihn im Auto verfolgt und ihn im Gottesdienst gesucht – doch Markus Seiler, oberster Schweizer Agent, habe den Kirchgang geschwänzt. Jetzt erpressen diese Journalisten ihn. So ist das.
Es heißt ja gemeinhin, man soll nicht so viel über die Schweizer lachen – bei denen hier ist es allerdings erlaubt. Denn in dem Video, in dem der Verleger der linken Schweizer Wochenzeitung WOZ – gespielt von einem Karikaturisten – vor die Kamera tritt, geht es um eine freundliche Erpressung: „Kaufen Sie einfach die ganze Auflage auf“, empfiehlt der Erpresser da dem Herrn Seiler, Behördenchef des sogenannten Nachrichtendienstes des Bundes. Denn: „Wir haben Details, wo sie und und den Geheimdienst betreffen!“
Tatsächlich waren die Journalisten in den vergangenen Wochen hinter Seiler hergereist – um zu symbolisieren, dass auch er Teil eines Überwachungssystems werden kann, dessen Ausmaß seit den Enthüllungen Edward Snowdens viele Menschen beschäftigt.
„Wir haben Herrn Seiler überwacht soweit es legal war“, sagt WOZ-Redakteur Jan Jirat der taz. „Wir haben dabei auf Trojaner verzichten müssen und unsere Drohne nicht so benutzen können, wie wir es gerne getan hätten.“
Empfohlener externer Inhalt
Das Video, in dem die WOZ nun droht, ist Teil einer Werbekampagne und seit diesem Mittwoch wartet auf den Chef des Schweizer Geheimdienstes eine Homepage, die auf seinen Namen läuft. Mit Infos, die von der WOZ kommen. Der Hintergrund: Am Donnerstag erscheint die jährliche Sonderausgabe der WOZ. Darin geht es auf 64 Seiten um Datenschutzfragen und Überwachung.
In der Ausgabe dokumentieren die Journalisten unter anderem die Firmensitze von rund einem dutzend Firmen, die in der Schweiz Überwachungstechnologien herstellen oder im Überwachungssegment tätig sind. Also: Nicht nur ein Fall für die Spaßgesellschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen